Heute ist es zeitgeistig schick, von Innovation zu reden. Nicht nur Wirtschaftsführer brüsten sich damit, auch in Volkskulturkreisen soll jetzt subito die Innovation Einzug halten.

Innovation heisst wörtlich «Neuerung» oder «Erneuerung». Das Wort ist von den lateinischen Begriffen novus (neu) und innovatio  (etwas neu Geschaffenes) abgeleitet.

Nicht nur in der Medizin, auch in der kürzlich angestossenen Volkskultur-Debatte soll Latein jetzt herhalten, damit etwas nicht verstanden wird.

Bestandene Kulturfunktionäre und findige Kulturunternehmer reden und schreiben deshalb flugs über Innovation in der Volksmusik. Sie verstehen darunter v.a. die Angleichung der einfachen Dreiklang- und Tonleitermusik an andere Musikgattungen. Beispiel gefällig?

Ich erinnere mich ans Alpentöne-Festival anno 2005. Das renommierte Zurich Jazz Orchestra (ZJO) intonierte das Guggisberg-Lied. Das tönte dann in der Vorankündigung grossspurig

  • Als auf ungewöhnliche Weise neu arrangiert
  • Als ein Aufbrechen des Schweizer Liedgutes

Solches tönt natürlich innovativ in den Ohren von Kulturfunktionären und die Förder- und Projektgelder sprudeln.

Doch Hand aufs Herz: Ist die Verjazzung des Guggisberg-Liedes wirklich innovativ?

Kennen wir solches nicht bereits aus der Fusion-Bewegung der 1970er Jahre (Verschmelzung von Rock und Jazz)? Jetzt also die Verschmelzung von Volksmusik (Folk) und Jazz.

Auch das nichts Neues, denn bereits 1965 experimentierte die Gruppe Blues Project mit Folk und Jazz – äusserst gekonnt übrigens.

Es ist durchaus verständlich, dass solche Fusion-Projekte ihre finanzielle Unterstützung finden, weil sich damit die Kulturfunktionäre – mit einseitig elitärem Kulturverständnis gross geworden – auf bekanntem Terrain bewegen können.

Da hat es beispielsweise eine Christine Lauterburg mit ihrem erfrischenden (pardon: innovativen) Ansatz viel schwerer, Gehör bei Kulturfunktionären zu finden.

Gekonnt und augenzwinkernd spielt sie mit Stilbrüchen, welche jedoch nur von Insidern als solche entdeckt und gewürdigt werden können.

Auch der Einsatz von Perkussion bei ihren Volks- und Jodelliedern scheint zwar für die meisten Kultursachverständigen unspektakulär, tönt jedoch ungemein lebendig und bringt erst die eigentliche Magie des Liedes zur Geltung. Meine persönliche Ohrenweide ist mir nach wie vor ihre Interpretation von Jakob-Ummel-Liedern.

Doch eben:

Wer das Original nicht kennt, kann die Interpretation nicht würdigen.

Diesen Beitrag habe ich anlässlich des von Pro Helvetia initiierten Programms «echo -Volkskultur zwischen Tradition und Innovation» (2006–2008) geschrieben.

 

 

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