Es gibt in der deutschen Sprache ein magisches Zauberwort, das unser Leben nullkommaplötzlich zum Besseren verwandeln kann. Leider brauchen wir’s ganz selten. Wenn überhaupt…

Zu meinem Leidwesen muss ich gestehen, dass auch ich es viele Jahre nie bis selten gebraucht habe. Auch heute fällt es mir schwer, dieses Zauberwort auszusprechen. Und doch hatte ich als Kind einen entsprechenden Lehrmeister gehabt, der mir dieses Zauberwort vorlebte.

Es war ein bodenständiger Bauer, der uns gerne die Vorzüge des landwirtschaftlichen Lebens zeigte. Er war uns nur unter seinem Dorfnamen «Hollimarti» bekannt. «Hollimarti» lächelte immer nachsichtig, wenn wir ihn mit Herr Hollimarti begrüssten. Meine Eltern bläuten mir, jedoch ohne merklichen Erfolg, ein, dass der «Hollimarti» dann der Herr Schweizer sei. Doch für mich war er einfach der liebenswürdige Herr Hollimarti.

«Hollimarti» war eine äusserst imposante Erscheinung. In seinen besten Tagen brachte er sicher so an die 130 Kilogramm auf die Waage. Er ass einfach zu gerne.

Ausgestattet mit einem solch‘ imposanten Gewicht verrichtete er ganz gemächlich sein nicht kleines Arbeitspensum als Bauer. Wir hatten ihn nie gestresst erlebt. Er nahm sich auch immer Zeit für uns Kinder, erklärte uns die verschiedenen Arbeiten, machte uns mit den Eigenheiten seiner Kühe vertraut und setzte uns – oh Wonne – auch auf eines seiner beiden Pferde. Natürlich hatte er zu dieser Zeit auch bereits einen Traktor. Ich sehe ihn im Geiste immer noch auf seinem Traktor sitzen, die Tabakpfeife im Mund, und gemächlich ins Tal hinaus tuckern.

‚Hollimarti‘ (links im Bild) bei seiner Lieblingsbeschäftigung: Essen. (Fotonachweis: Roland Schweizer, Niederdorf BL)

Eine heute undenkliche Unart war ihm speziell zu eigen: Er kam regelmässig zu spät: An Veranstaltungen, zu den Männerchorproben und als Gemeinderat zu den wöchentlichen Sitzungen im Gemeindehaus.

Nicht genug damit, er schlummerte an solchen Gemeinderatssitzungen stets friedlich weg. Das hat jedoch nie zur Störung des Politbetriebs in meinem Heimatdorf geführt.

Ich habe ihm gerne bei seinen vielfältigen Arbeiten geholfen: Beim Ausmisten des Stalls, beim Grasen, Heuen und Emden.

Er hat mir dabei nicht nur geholfen, mein landwirtschaftliches Geschick zu verbessern (das mir übrigens heute wieder zugutekommt), die Arbeit bedächtig aber stetig auszuführen, sondern zeigte mir mit eingangs erwähntem Zauberwort, das Leben gemütlicher und angenehmer zu gestalten.

Sein Satz lautete stets, wenn er spürte, dass es eine Pause brauchte: «Jetz isch gnue!» (Jetzt ist genug)

Oder, wenn sich der Feierabend ankündigte: «Gnue gschafft für hüt!» (Genug gearbeitet für heute)

Er verwendete dieses Zauberwort «GENUG» mehrmals täglich. Eine Ausnahme gestattete er sich jedoch:

Beim Essen hatte er selten genug! Jede Regel hat halt ihre Ausnahme.

Genug, ein gutes Wort, das wir dringend wiederbeleben müssen, wenn wir freier atmen und leichter leben wollen. Warum versuchen wir, alles immer besser, schneller, toller zu machen – auch uns selbst?

Machen wir es doch wie «Hollimarti»:

Genug gearbeitet, verdient, optimiert etc.

 

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