Der Mittagssonnenschein lockte mich in den Garten. Ich wollte sehen, wie weit Schneeglöckchen, Krokusse und Primeln sich schon hervorgewagt hatten.

Auch den Nachbarsbub lockte die Sonne in den Garten, und er fragte mich über den Zaun hinweg: «Glaubst du, dass jetzt bald Ostern ist?» – «Ja, sobald der Frühling richtig da ist», bestätigte ich, während wir uns zwischen den erwachenden Blumen bewegten. Er auf seiner Seite, ich auf der gegenüberliegenden.

Plötzlich teilte er mir mit einer Ernsthaftigkeit, die man ihm auf den ersten Blick gar nicht zutrauen würde, mit: «Eigentlich mag ich Ostern lieber als Weihnachten.»

Ich war zunächst überrascht, da Weihnachten in meinen Augen das Fest der Feste ist – mit all seinen Vorbereitungen, den wohltuenden Düften und der Freude des Beisammenseins. Doch bevor ich meine Sichtweise verteidigen konnte, war ich doch viel zu gespannt darauf zu erfahren, was Ostern in seinen Augen so besonders machte.

«Weisst du, an Weihnachten sind alle Geschenke schon fertig zum Verschenken, und ich bekomme sie einfach so. Aber an Ostern sind die kleinen Geschenke im Garten versteckt, und ich muss sie suchen. Und das Suchen, das macht mir so viel Spass!», erklärte er mit leuchtenden Augen.

Da verstand ich – es war die Anstrengung, die Freude am Suchen und Entdecken, die für ihn den Unterschied machten. Nicht das blosse Empfangen, sondern das aktive Finden bereitete ihm Freude.

«Ah, so sieht er das also», dachte ich bei mir. Suchen, nicht nur nehmen. Sich anstrengen, um zu finden und sich am Gefundenen zu erfreuen.

Ich hoffte, dass er diese Einstellung beibehalten würde – zu erkennen, dass es lohnenswert ist, sich Mühe zu geben, dass das Suchen ihm neue Wege eröffnen und Horizonte erweitern kann. Sicherlich, nicht jeder Fund wird eine Freude sein, und Enttäuschungen werden auf seinem Weg nicht ausbleiben. Aber auch das würde er lernen müssen, und es würde ihm letztlich zum Besten dienen.

Ostern steht für das Suchen – ein Prinzip, das mir nun klarer wurde. Wie die Jünger, die ihren Herrn suchten und an Ostern fanden, so sind auch wir auf der Suche; in unseren Mitmenschen, in der Stille, im Gebet hoffen wir auf Begegnung.

Ich stand im Garten und sann. Der Nachbarsbub war längst ins Haus zurückgekehrt.

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