Die Himmelfahrt Christi, die vierzig Tage nach Ostern zelebriert wird, spielt eine zentrale Rolle im christlichen Kalender.

Diese Tradition beruht auf dem Glauben, dass die Seelen Verstorbener innerhalb von vierzig Tagen ihren Astralleib ablegen und in ihren göttlichen Ursprung zurückkehren. Um diese Reise bildhaft darzustellen, wurde in manchen Kirchen das Bild Christi während des Gottesdienstes zur Decke hinaufgezogen und verschwand dort symbolisch im «Heiligen-Geist-Loch». Währenddessen wurden oft Wasser und brennendes Werg[1] von der Decke herabgelassen, ein Brauch, der besonders in Bayern verbreitet war, wo man glaubte, es handle sich um Fetzen des Teufels.

Christi Himmelfahrt wird immer an einem Donnerstag begangen, was an den alten Donnergott[2] erinnert, der in der christlichen Tradition durch den Apostel Petrus, den Herrn der Wetterphänomene, ersetzt wurde. Ein ländlicher Aberglaube besagt, dass Arbeiten an diesem Tag Gewitter anzieht. Interessanterweise ist auch die Legende des Mannes im Mond mit diesem Tag verbunden, der, weil er am Himmelfahrtstag Holz sammelte, zur Strafe in den Mond versetzt wurde.

In der modernen Welt können viele Menschen wenig mit diesen alten Bildern und Traditionen anfangen, doch schätzen sie den arbeitsfreien Tag. Schon in früheren Zeiten fanden es einfache Leute oft schwer, die tieferen, metaphysischen Bedeutungen religiöser Rituale zu verstehen. Ein Beispiel dafür ist die Abendmahlsmesse, in der die lateinischen Worte Jesu «hoc est corpus meum»[3] oft nur als Hokuspokus verstanden wurden.

Die Traditionen um die Himmelfahrt sind vielfältig und nicht selten mit volkstümlichen Bräuchen verbunden. So suchten Frauen am Himmelfahrtstag nach sogenannten «Auffahrtskräutern» oder «Stehkräutern», die in der Volksmedizin zur Steigerung der männlichen Potenz genutzt wurden. Diese Kräuter, zu denen Aronstab, auch «Pfaffenpint» genannt, Baldrianwurzel, Sanikel, Bibernelle und die Wurzeln der Nelkenwurz zählen, sollten am besten vor Sonnenaufgang gesammelt werden. Hildegard von Bingen, eine bedeutende Figur der mittelalterlichen Heilkunde, erwähnte sogar die Nelkenwurz in ihren Schriften und beschrieb ihre liebesfördernde Wirkung.

Ein weiterer interessanter Aspekt der Auffahrtsfeierlichkeiten ist der Banntag oder Bannumgang, ein Brauch, der in vielen Gemeinden des Kantons Basel-Landschaft, dem Zürcher Unterland, insbesondere im Furttal, sowie im solothurnischen Schwarzbubenland gepflegt wird.

An Auffahrt oder einem anderen bestimmten Tag im Mai umschreiten die Bürger der Gemeinde – historisch gesehen nur Männer – in Gruppen, die als Rotten bezeichnet werden, einen Teil der Gemeindegrenze. Diese traditionelle Grenzbegehung wird akustisch von Trommel- und Pfeiferklängen sowie dem Knallen aus Vorderladern und Guidenpistolen[4] begleitet. Ursprünglich war es eine Bürgerpflicht, die Grenzsteine regelmässig zu kontrollieren und sicherzustellen, dass diese nicht durch Nachbargemeinden verschoben wurden. Bis zur Reformation wurde der Banntag auch für eine Flursegnung durch den Dorfpfarrer genutzt.

Mit der Einführung moderner Vermessungstechniken verlor der Brauch an praktischer Bedeutung und geriet in manchen Orten in Vergessenheit. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erlebte der Banntag jedoch eine Renaissance und wurde in vielen Gemeinden als Volks- und Familienfest neu belebt. Die urtümlichste Form des Banntags findet sich heute in Liestal, der einzigen Gemeinde, in der dieser Tag noch als kommunaler Feiertag begangen wird. In Liestal ist die Teilnahme am Banntag nach wie vor den Männern vorbehalten, und es wird traditionell geschossen. Auch in Sissach wird der Banntag, jeweils am Samstag vor Auffahrt, ohne Frauen, aber mit viel «Geböller» zelebriert.

Diese einzigartigen Bräuche verleihen der Himmelfahrt Christi in der Schweiz eine zusätzliche kulturelle Dimension und sind ein faszinierendes Beispiel dafür, wie alte Traditionen auch in der modernen Welt weiterleben und gefeiert werden. Der Banntag dient dabei nicht nur der Pflege von Brauchtum und Gemeinschaft, sondern auch der Erinnerung an die historischen und sozialen Wurzeln einer jeden Gemeinde.

Legende

[1] Werg sind die Fasern, die bei der Verarbeitung von Flachs oder Hanf als Abfallprodukt entstehen. In historischen Kontexten wurde Werg oft als Zündmaterial verwendet, da es leicht entflammbar ist. Beim Christi Himmelfahrt-Fest wurde brennendes Werg verwendet, um symbolisch die Verbindung zwischen dem Irdischen und dem Göttlichen darzustellen, indem es zusammen mit Wasser von der Kirchendecke herabgelassen wurde. Dies sollte den Gläubigen den Aufstieg Christi in den Himmel und die Reinigung durch den Heiligen Geist bildhaft vor Augen führen.

[2] Der Donnergott ist eine Figur, die in vielen alten Kulturen vorkommt und oft mit Macht, Schutz und Wetterphänomenen assoziiert wird. In der nordischen Mythologie wird dieser Gott als Thor dargestellt, der mit seinem Hammer Mjölnir den Donner heraufbeschwört. In der germanischen Tradition ist es Donar, der ähnliche Attribute aufweist. In der römischen Mythologie entspricht Jupiter, und in der griechischen ist es Zeus, beide gelten als Götter des Himmels und des Donners. Diese Figur symbolisiert oft Stärke und Schutz und ist eng mit den Naturgewalten verbunden.

[3] Diese lateinischen Worte bedeuten «Dies ist mein Körper» und sind Teil der Liturgie des christlichen Abendmahls. Sie beziehen sich auf die Worte, die Jesus Christus beim Letzten Abendmahl zu seinen Jüngern gesprochen haben soll, als er ihnen das Brot reichte. Diese Worte werden in der katholischen Kirche während der Konsekration gesprochen und symbolisieren die Transsubstantiation, bei der geglaubt wird, dass Brot und Wein in Leib und Blut Christi verwandelt werden. Diese Phrase ist zentral für das Verständnis des Sakraments der Eucharistie in vielen christlichen Konfessionen.

[4] Guidenpistolen sind historische Handfeuerwaffen, die in einigen traditionellen schweizerischen Festen und Zeremonien verwendet werden. Sie gehören zur Kategorie der Vorderladerpistolen, was bedeutet, dass die Munition von der Mündung her geladen wird. Diese Pistolen wurden ursprünglich für militärische Zwecke entwickelt und später in zivilen Kontexten für festliche Anlässe adaptiert. Beim Banntag und ähnlichen traditionellen Veranstaltungen wird das Schiessen mit Guidenpistolen oft als symbolische Handlung zur Vertreibung böser Geister und zur Festigung der Gemeinschaft praktiziert.

 

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