Diesen Beitrag fürs Uelischadblatt¹ schreibe ich noch in Utzenstorf BE, wo ich exakt 20 Jahre gelebt habe. Ich kehre nun nach 44 Jahren zurück in mein Heimatdorf, das seine Fäden stets fest in meinem Herzen verwoben hat. Viele Erinnerungen, die ich in Artikeln im Uelischadblatt mit euch geteilt habe, begleiten mich. Als ich meinen ersten Beitrag im November 2021 verfasste, betitelt mit ‘In des Teufels Küche‘, war mir noch nicht bewusst, dass ich zwei Jahre später den Weg zurück in die vertrauten, doch so veränderten Plätze und Winkel Oberdorfs finden würde.

Kindheitserinnerungen und Emmentaler Tage

Als Kind war mir das Emmental die liebste Gegend in der Schweiz. Für mich wäre es damals das Schönste gewesen, im Emmental zu wohnen. Mit roten Backen verschlang ich die Bücher der Emmentaler Autorin Elisabeth Müller, unter anderem ‚Die 6 Kummer-Buben‘. Trotz dieser Emmental-Affinität mochte ich den Emmentaler-Käse nicht besonders. Viel lieber hätte ich mich an einem ‚Tilsiter‘, wie ihn damals die ‚besseren‘ Leute in Oberdorf bevorzugten, gelabt. Und wie das Schicksal manchmal so spielt, gingen alte Kindheitswünsche in Erfüllung: 2003 trat ich die Stelle als Geschäftsführer im ‚Haus der Volkskultur‘ in Burgdorf an. Trotz widrigster Umstände – permanente Unterfinanzierung des Hauses und Intrigen – habe ich vier Jahre durchgehalten. Diese Zeit im Kornhaus Burgdorf hat mir jedoch etwas zurückgebracht, das ich als Kind schon liebte: die ländliche Kultur, die Volkskultur. Sie war ein fester Teil meiner Kindheit, geprägt von den Geschichten meines Vaters, den Jahreszeiten und deren Bräuchen sowie der Volksmusik, die mir stets ein Gefühl der Geborgenheit vermitteln konnte.

Der Entschluss zum Umzug

Trotz meiner aktiven Beteiligung im örtlichen Jodlerklub, den harmonischen Stunden im Männerchor Kirchberg und den zahlreichen schönen Erlebnissen in der Natur rund um die Emme, im oberen Emmental und im Berner Oberland, fand ich im Bernbiet nie ganz mein Zuhause. Die Berner sind zwar für ihre Gemütlichkeit berühmt, doch im Vergleich zu uns Baselbietern empfand ich eine gewisse Obrigkeitsgläubigkeit und eine Tendenz, Dinge hinnehmen zu müssen. Diese und andere Eigenheiten des Lebensstils haben meine Frau und mich zum Nachdenken angeregt. Nach langen Überlegungen und ausführlichen Gesprächen haben wir schliesslich vor einem Jahr beschlossen, unser Haus in Utzenstorf zu verkaufen und in die vertraute Umgebung des Baselbiets zurückzukehren, einem Ort, der unseren Werten und Lebensweisen nähersteht.

Besuche und bemerkte Veränderungen in Oberdorf

Während der 44 Jahre, in denen ich in verschiedenen Dörfern und Städt(ch)en – darunter auch ein paar Monate in Wien – lebte, habe ich Oberdorf immer wieder gerne besucht. Dabei sind mir natürlich auch die grossen Veränderungen im Ortsbild aufgefallen. Viele dieser Wandlungen haben mich schmerzlich berührt, insbesondere das Verschwinden der ‚Au‘, die für mich stets das Herz von Oberdorf darstellte. Auch das ‚Jägerli‘, die ‚Fuchsfarm‘ und das ‚Bad‘, wo ich früher viele vergnügliche Stunden verbrachte, existieren nicht mehr. Viele heitere Geschichten sind mit diesen legendären Orten verwoben, und ich halte es für wichtig, dass diese Erinnerungen auch den jüngeren Generationen von Oberdorf nicht vorenthalten werden.

Das neue Oberdorf – Erwartungen und Hoffnungen

In den Schatten des Vertrauten kehre ich zurück, nun zu einem Oberdorf, das sich gewandelt hat. Die Hoffnung, die ich mitbringe, ist die, dass ich die neuen Seiten meines alten Dorfes schätzen lerne. Ich erhoffe mir, dass die Veränderungen, so fremd sie auch sein mögen, neue Chancen für Gemeinschaft und Zusammenhalt bieten. Ich sehe mich selbst, wie ich durch die Strassen gehe, Neues entdecke und doch immer wieder auf Spuren der Vergangenheit stosse.
Ich wünsche mir, dass die neuen Bauten und Veränderungen im Dorfbild nicht nur als Zeichen des Fortschritts gesehen werden, sondern auch als neue Leinwand, auf der die Geschichten der kommenden Generationen gemalt werden. Ich hoffe, dass die jüngeren Einwohnerinnen und Einwohner die gleiche tiefe Verbindung zu Oberdorf entwickeln, wie ich sie einst hatte. Mein Ziel ist es, Brücken zwischen Alt und Neu zu bauen, damit die Erinnerungen und die Geschichte des Dorfes weiterhin in den Herzen der Menschen leben.

Abschluss und Ausblick: Ein neues Kapitel beginnt

Während ich diese Zeilen schreibe, spüre ich eine Mischung aus Vorfreude und Wehmut. Die Rückkehr nach Oberdorf ist für mich ein neues Kapitel in meinem Lebensbuch, eines, das ich mit Respekt und einer Prise Neugier beginne. Ich vertraue darauf, dass meine alten Wurzeln mir helfen werden, mich in der veränderten Landschaft zurechtzufinden und dass ich bald neue Wurzeln schlagen kann.

Lasst uns gemeinsam darauf hinarbeiten, dass unser Dorf ein Ort bleibt, an dem die Vergangenheit geehrt und die Zukunft umarmt wird. In diesem Sinne blicke ich optimistisch nach vorn und freue mich auf die Begegnungen, die vor mir liegen, in den vertrauten, doch so veränderten Ecken unseres schönen Oberdorfs.

¹ Ich schreibe seit November 2021 regelmässig Beiträge in der dorfeigenen Zeitung ‚Uelischadblatt‘ der Gemeinde Oberdorf BL. Dieser Beitrag wird in der Januar-Ausgabe erscheinen.

Foto: Oberdorf um 1940

 

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