Die alltäglichen Dinge erhalten erst ihren Wert, wenn sie nicht mehr da sind.

Mit 11 Jahren begegnete mir in schmerzlicher Form diese Aussage. Ich weilte im Ferienlager im Berner Oberland und unser Leithammel liebte es, ausgedehnte und vor allem stotzige (steile) Wanderungen mit uns Lagerteilnehmern zu unternehmen.

Natürlich hatte ich auf solch‘ anstrengenden Wanderungen im Nu meine Teekanne geleert und litt hinterher unter unsäglichem Durst.

Wie bei verdurstenden Wüstenwanderern tauchte auch bei mir eine schillernde Fata Morgana auf in Form lieblich sprudelnder Brunnenröhren. In meinem Heimatdorf gab es noch viele solcher Dorfbrunnen mit ausgezeichnetem Trinkwasser. Ich hätte alles darum gegeben, einen tüchtigen Schluck direkt ab Röhre tun zu dürfen.

Dank dieses durstigen Erlebnisses habe ich Zeit meines Lebens den Dorfbrunnen höchste Verehrung gezollt.

Als Orte der Begegnung waren die Dorfbrunnen nämlich lange Zeit wichtige Fixpunkte im Alltag der Dorfbewohner gewesen. Täglich mussten sie Wasser am Brunnen holen, denn es gab noch kein fliessendes Wasser in den Häusern. Beim Wasserholen traf man sich am Brunnen und tauschte Neuigkeiten aus. Und die Bauern tränkten darin ihr Vieh…

Die ersten Brunnen bestanden übrigens aus einem Trog, der aus einem dicken Eichenstamm geformt war. Um das Quellwasser zu den Brunnen zu führen, benutzte man zuerst sog. «Teuchel», das heisst, ausgehöhlte Baumstämme, die man ineinander schob. Mit der Zeit wurde dann der Trog durch Kalkstein ersetzt, auch der Brunnstock.

Als dann die «Neue Zeit» mit ihrer enormen Bautätigkeit anbrach, verloren die Dorfbrunnen ihre einstige Bedeutung. Dazu kam der immer grösser werdende Verkehr, welcher das Tränken an den Brunnen gefahrvoll werden liess.

So bleibt uns auch hier nur noch die romantisch-verklärte Erinnerung.

 

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