Schon bald steht Halloween vor der Tür, dieser europäische Re-Import aus den Vereinigten Staaten. In gruseligen Verkleidungen ziehen Kinder von Tür zu Tür und fordern nach amerikanischer Tradition «Süsses oder Saures» ein. Wer ihnen die Süssigkeiten verweigert, bekommt unweigerlich «Saures» zu spüren.

Obwohl Halloween seine Wurzeln im keltischen Samhain hat und durch irische und schottische Einwanderer in Amerika populär wurde, ist es heutzutage eher ein weltliches Spektakel, bei dem das Gruseln und das Sammeln von Süssigkeiten im Mittelpunkt stehen. Samhain, dieses alte keltische Fest, markierte ursprünglich den Übergang vom Herbst zum Winter und wurde traditionell vom 31. Oktober bis zum 1. November gefeiert. Es war für die Kelten eine Zeit des Wandels und der Erneuerung. Sie glaubten, dass in dieser Nacht die Grenze zwischen der Welt der Lebenden und der Welt der Toten besonders durchlässig sei. Dies gab Anlass zu verschiedenen Ritualen und Gedenkfeiern, bei denen man versuchte, böse Geister abzuwehren und die Seelen der Verstorbenen zu ehren. Die Traditionen und Bräuche variierten regional, doch häufig wurden Feuer entzündet und Kostüme getragen, um böse Geister abzuschrecken.

Für uns Kinder aus Oberdorf waren die 1960er Jahre eine Zeit ohne Halloween, aber keineswegs eine Zeit ohne Gruseln. Wir erbettelten Futterrüben von den örtlichen Bauern – eine Nutzpflanze, die heute kaum noch angebaut wird, aber damals für die Viehfütterung im Winter unverzichtbar war.

Futterrübe

Die Futterrüben haben je nach Region unterschiedliche Bezeichnungen. Im Baselbiet werden sie «Duurlips» genannt, während sie im Bernbiet als «Runggle» bekannt sind. Der Ausdruck «Duurlips» diente uns auch gerne als spöttische Bezeichnung für Dummköpfe («das isch jetz au e Duurlips»). Warum gerade dieser eigenartige Name für die Futterrübe gewählt wurde, entzieht sich meiner Kenntnis. Eines ist jedoch sicher: Der Ausdruck «Duurlips» ist einzig und allein im alemannischen Sprachraum verbreitet.

Aus diesen Futterrüben schnitzten wir gruselige Fratzen. Nach dem Aushöhlen platzierten wir eine Kerze darin und stellten sie am Vorabend zu Allerheiligen vor unsere Haustüren. Unsere Eltern taten so, als würden sie sich erschrecken, und wir Kinder genossen ihre gespielte Furcht in vollen Zügen.

Eine besondere Episode bleibt mir dabei im Gedächtnis: Als Fünftklässler hatten wir für einige Monate den pensionierten Lehrer Otto Jenny als Vertretung. Man nannte ihn auch den «Gyge-Otti», weil er nicht nur Geige spielen konnte, sondern mit dem Geigenbogen gerne auf die Köpfe der Schüler schlug. Natürlich selten ohne Grund. Das passte uns jedoch nicht, und so sannen wir auf Rache und heckten einen entsprechenden Plan aus.

Wir schnitzten also die bereits erwähnten «gruseligen» Masken, steckten sie auf einen Pfahl und schlichen dann am Vorabend zu Allerheiligen die Dorfmattstrasse herunter bis zum Haus des «Gyge-Otti». Ein Bub stand Wache und wir pflanzten fein säuberlich die auf Pfählen gesteckten Fratzen in seinen Garten.

Nachdem wir die Kerzen entzündet hatten, läutete der flinkeste unter uns Sturm an Ottis Haustür. Wir alle hatten uns vorher natürlich versteckt. «Gyge-Otti» riss die Türe auf, erblickte die Fratzen und erstarrte. Mit sich überschlagender Stimme rief er um Hilfe. Wir konnten kaum das Lachen unterdrücken, denn «Gyge-Otti» markierte ansonsten gerne den starken Mann, und jetzt erlebten wir ihn in hilfloser Angst. Diesen Moment der Schwäche genossen wir ausgiebig, bevor wir uns lachend und zufrieden aus dem Staub machten. Konsequenzen mussten wir keine befürchten, denn sonst hätte sich der «Gyge-Otti» als Feigling outen müssen.

So erlebten wir also unsere eigene Version von Halloween, ohne je von diesem Brauch gehört zu haben.

 

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