Ah, Bier! Jeder kennt es, liebt es – zumindest das moderne, nach dem Deutschen (genauer: Bayerischen) Reinheitsgebot gebraute Bier.

Seit 1516 darf Bier offiziell nur noch aus Wasser, Malz, Hopfen und Hefe hergestellt werden. Doch dieses Reinheitsgebot war nicht nur eine Vorschrift, sondern auch ein Verbot: Es untersagte den Einsatz von Kräutern wie dem Bilsenkraut. Aber warum wurde Bilsenkraut eigentlich verbannt? Was hatte es mit diesem mysteriösen Kraut-Bier auf sich?

Heute finden wir auf vielen Märkten «Met» – eine honigsüsse, dickflüssige Köstlichkeit. Aber Achtung, der Met unserer Ahnen war ganz anders! Genau wie das Bier damals. Für unsere Vorfahren waren die Zusatzstoffe viel wichtiger als der Gärstoff selbst. Die Germanen kannten verschiedene Brautechniken und stellten unterschiedlich schmeckende Gebräue her, die als «Met», «Honigwein» oder «Bier» bezeichnet wurden. Met wurde aus Honig und Wasser, Bier aus Malz oder Brot und Wasser mit Hefe hergestellt. Beide Getränke hatten einen Alkoholgehalt von etwa 2 bis 5 %. Doch um sie haltbar, schmackhaft und richtig berauschend zu machen, fügten die Germanen verschiedene Kräuter hinzu.

In der Biergeschichte gibt es keine psychoaktive Pflanze, die nicht irgendwann, irgendwo einmal dem Bier beigemischt wurde. Die alten Ägypter brauten Alraunenbier, die Indianer veredelten ihr Maisbier mit Kokablättern und Daturasamen, im Orient mischte man Bier mit Haschisch und Opium, und in Sibirien landeten getrocknete Fliegenpilze im Bier. Die Gallier bevorzugten Bier mit Taumellolch, und im Mittelalter würzte man dünne Biere mit Zimt, Muskat und Kardamom. Der Hopfen, unser heutiger Bierheld, wurde erst von christlichen Mönchen eingeführt, um die Brüder nicht durch aphrodisische Zusätze zu irritieren.

Bilsenkraut-Bier und die Wikinger

Ein besonderes Highlight in der Biergeschichte ist das Bilsenkraut-Bier. Der muslimische Reisende Ibn Fadlan beschrieb 921 eine Häuptlingsbestattung der Rus (Wikinger) an der Wolga. Zu diesem Anlass wurde ein «besonderes Bier» gebraut, das die Wikinger tranken, bis sie «verblödeten». Das passt genau zu den Wirkungen von Bilsenkraut: In kleinen Dosen berauschend, in mittleren aphrodisierend, und in grossen Dosen führt es zu Verwirrung und Gedächtnisstörungen. In extremen Fällen ist es tödlich.

Bilsenkraut hat auch eine interessante Nebenwirkung: Es trocknet die Schleimhäute aus, sodass man immer durstiger wird, je mehr man trinkt. Für Schankwirte also das perfekte Geschäft! Ibn Fadlan berichtete auch, dass dieses Bier der Sklavin vor ihrem rituellen Freitod gegeben wurde, was sie in einen deliranten Zustand versetzte.

Die verhexte Pflanze

Bilsenkraut (Hyoscyamus niger) war den antiken Autoren wie Dioskurides und Plinius gut bekannt. In keltischen Gebieten hiess es «Belinuntia» – Kraut des Sonnengottes Bel. Die Gallier vergifteten ihre Wurfspiesse damit, und in angelsächsischen Arzneibüchern wurden seine heilenden Eigenschaften angeführt. Der Name geht auf das Indogermanische *bhelena zurück, was «Tollkraut» bedeutet. Es gibt sogar eine germanische Göttin namens Bil, die möglicherweise als «Bilsenfee» oder «Göttin des Bilsenkrautes» galt.

Im Mittelalter wurde Bilsenkraut verteufelt und in der frühen Neuzeit dem Hexenwesen zugeschrieben. Die Hexen tranken Bilsenkraut-Abkochungen, um ihre Träume zu intensivieren – Träume, für die sie oft gefoltert und hingerichtet wurden. Auch zum Wetterzaubern und Geisterbeschwören wurde es verwendet.

Von Bilsengärten und Pilsener Bier

Im frühen Mittelalter wurde Bilsenkraut als Bierwürze verwendet. Wegen der grossen Nachfrage legten die Germanen eigens Bilsengärten an, die unter dem Schutz von Wotan/Odin standen. Diese Heiläcker existieren bis heute in Ortsnamen wie Bilsensee, Billendorf und vor allem Pilsen. Ja, genau! Die Stadt Pilsen, nach der unser modernes Bier «Pilsner» benannt ist, verdankt ihren Namen dem Bilsenkraut.

Sumpfporst, Gagel und das Grutbier

Bilsenkraut war nicht die einzige Zugabe zum Bier. Im Norden Europas wurde Sumpfporst (Ledum palustre) verwendet, ein Kraut mit starker berauschender Wirkung. Manchmal mischte man es mit Gagel (Myrica gale). Dieses Gebräu, bekannt als «Grutbier», führte oft zu Berserkerwut – nicht gerade ein friedliches Getränk!

Pilzbier und schamanische Rituale

Psychedelische Pilze spielten ebenfalls eine Rolle. In Skandinavien zeigen Felsbilder anthropomorphe Wesen mit Pilzen, was auf schamanische Rituale hinweisen könnte. Frühe Dokumente zur Braukunst erwähnen die Zugabe von «Schwämmen» (Pilzen) zum Bier, was auf die Nutzung ihrer psychedelischen Kräfte hinweist.

Germanische Trinkgelage

Die Germanen waren für ihre Trinkrituale berühmt. Im Mai wurden alkoholstarke Maiböcke gebraut, im Herbst Märzenbier und im Winter Julbier. Diese Feste gingen oft mit Besinnungslosigkeit einher und waren tief in der germanischen Kultur verwurzelt. Tacitus beschrieb, wie die Germanen bei Trinkgelagen über Krieg und Frieden berieten, da sich «das Herz leichter für aufrichtige Gedanken» öffne.

Zusammengefasst war das Bier unserer Ahnen weit mehr als ein Getränk – es war ein Ritual, eine Feier, eine Verbindung zu den Göttern und Ahnen. Also, beim nächsten Biergenuss denke daran: Nicht bis zur Besinnungslosigkeit trinken, sondern den Rausch weise geniessen!

 

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