In der wohlhabenden Hansestadt Hamburg lebte einst ein angesehener Kaufmann namens Heinrich Albrecht. Er hatte nur einen Sohn, den er Friedrich nannte.

Friedrich war von Natur aus ein Dummkopf und faul, er mied jede Art harter Arbeit. Eines Tages sprach Heinrich zu ihm: «Friedrich, warum lernst du nicht den Handel und verdienst viele Taler?» – «Vater, ich werde hier keine Handelsgesellschaft gründen. Ich werde nach Sizilien segeln und als reicher Mann zurückkehren»!

Für die Reise nach Sizilien benötigte er ein grosses Schiff, zahlreiche Goldtaler für seine Unternehmungen und zudem würde die Reise zwölf Jahre in Anspruch nehmen. Drei Jahre bis zur Ankunft, drei Jahre für die Rückreise und sechs Jahre für den Handel. Heinrich war bereits achtzig Jahre alt, doch er setzte sein volles Vertrauen in seinen Sohn und liess ihm drei Schiffe ausstatten. Er entsandte drei seiner treuesten Männer: den Buchhalter, den Berater und den Schatzmeister, die Friedrich auf seiner Reise begleiten sollten. Friedrich war der Anführer dieser Gruppe. Drei Jahre vergingen, und sie erreichten endlich Sizilien. Doch Friedrich zeigte keine Eile, mit dem Handel zu beginnen. Er verbrachte seine Tage mit Müssiggang und entspannte sich vier bis sechs Monate lang. Der Buchhalter ermahnte ihn: «Komm, lasst uns mit dem Handel beginnen. Wofür sind wir hierher gekommen?»

Friedrich, erschrocken durch diese Mahnung, kam zu sich, gab jedoch eine völlig unvernünftige Anweisung: «Geht hinaus und kauft das teuerste Ding, das es hier gibt.» Wie sich herausstellte, wurden in Sizilien Gold, Perlen, Juwelen und Schmuckstücke zu äusserst niedrigen Preisen angeboten, da sie im Überfluss vorhanden waren. Der Berater schlug vor: «Meister, lass uns diese Güter erwerben, und wir können zu Hause einen enormen Gewinn erzielen, indem wir sie zu hohen Preisen verkaufen.» – «Nein, nein! Wir dürfen keine billigen Sachen kaufen.» So suchten sie weiter nach dem teuersten Artikel auf dem Markt. Und man mag es kaum glauben, aber das Teuerste auf der ganzen Insel Sizilien waren Steine! Ja, Steine!

«Schatzmeister, investiere all unsere Taler in den Kauf dieser Steine», befahl Friedrich. «Aber Meister, in Hamburg haben wir genug solcher Steine. Sie sind wertlos. Lass uns stattdessen das Gold und die Juwelen kaufen.» Doch Friedrich blieb stur. Er wich nicht von seiner Torheit ab. Er verbrachte sechs Jahre damit, nach Steinen zu suchen und sie zu sammeln. Alle seine Berater beobachteten schweigend und entsetzt, wie die drei Schiffe mit Steinen unterschiedlicher Formen und Grössen beladen wurden. Endlich, mit der Miene eines siegreichen Generals, befahl Friedrich seiner Mannschaft, die Heimreise anzutreten.

Zu Hause warteten alle gespannt auf die Rückkehr der Expedition. Der unbedachte Friedrich hatte stolz im Voraus eine Nachricht gesendet: «Liebster Vater, ich bringe drei Schiffsladungen unschätzbarer Güter zurück.»

Die Nachricht löste eine Welle der Aufregung im Herzen Heinrichs aus. Er verbreitete die Nachricht in der ganzen Stadt und prahlte mit dem zwölfjährigen Unterfangen seines Sohnes. Nachts träumte er von Diamanten und Juwelen, Gold und Silber… «Oh, drei Schiffe überquellend mit Reichtum!», dachte er.

Die Schiffe liefen in den Hafen ein. Jeder Hamburger eilte zur Küste; einige kamen, um zu gratulieren; einige waren neugierig, die Reichtümer zu sehen; und einige wollten die Waren kaufen, bevor sie den Markt erreichten. Sie fragten: «Welche Waren habt ihr gebracht?» – «Steine!», antwortete Friedrich stolz. «Komm schon, mach keine Scherze». Niemand nahm ihn ernst und sie alle gingen zur grossen Feier, die sein Vater für den Empfang seines Sohnes arrangiert hatte. Vater und Sohn umarmten sich, die ganze Familie feierte das Wiedersehen. Dann fragte Heinrich: «O Sohn, du grosser Abenteurer, was hast du unserem Volk aus den fernen Ländern gebracht?» – «Steine!» – «Ich bin nun 92 Jahre alt. Ich habe genug Erfahrung in diesen Angelegenheiten. Also hör auf zu scherzen und sag uns die Wahrheit», ermahnte ihn Heinrich. «Ehrlich, Vater, ich habe Schiffsladungen von Steinen mitgebracht. Diese glatten Steine waren die teuersten Dinge auf der Insel.» So sagte er und befahl seinen Männern, einige Proben abzuladen.

Die ganze Versammlung wurde still. Einige Menschen waren entsetzt, andere lachten. Friedrichs Dummheit wurde offenbar. Seine Torheit brachte seinem Vater Peinlichkeit. Der Ruf der Familie erlitt einen schweren Schlag und wurde für immer ruiniert. Und am Ende mussten die Steine tief ins Meer geworfen werden, weil sie selbst zum Hausbau zu rund waren!

Ähnlich, wenn wir unseren Körper verlassen und heim zum Himmel segeln, wird der Unendliche kommen, um uns zu empfangen. Er wird uns fragen, welchen Reichtum wir für unsere Seele verdient haben. Wir könnten mit einer Liste antworten: «Ein mehrstöckiges Haus, ein paar Kinder und tausende Taler.» Das nennt man materiellen Reichtum. Materiellen Reichtum zu sammeln ist wie das Sammeln von Steinen. Es hat überhaupt keinen Wert. Nur wenn wir unser Leben damit verbringen, unsere Seele zu bereichern, indem wir den inneren Reichtum des Wissens sammeln, wird unsere Reise zur Erde lohnenswert.

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