«Kinder und Narren sagen die Wahrheit», meinte meine Grossmutter, wenn ich mich in kindlicher Unschuld wieder einmal in ein Fettnäpfchen setzte.
Wie sollte ich auch als unschuldiges Kind wissen, was sich ziemt und was eben nicht…
Um die Gefahr des Unwidersprochenen wussten auch die meisten Herrscher. Deshalb hielten sich die Könige einen Hofnarren nebst den Jagdhunden, den Falken und Adlern. Die Aufgabe des Hofnarren war es, den Herrscher zu zerstreuen und aufzuheitern. Er verfügte über Fabeln und Wortspiele, auch konnte er singen und Laute spielen. Vor allem zeichnete er sich durch seine Schlagfertigkeit aus. Ihm war fast alles erlaubt, was anderen verboten war. Er allein hatte das Recht, die Wahrheit zu sagen. Unverblümt. Als scharfer Beobachter des Zeitgeschehens war er der Einzige, der dem Herrscher die Wahrheit übermitteln und ihn auch in seinem Regieren kritisieren durfte.
Doch auch im dörflichen Leben kannte man noch diese Hofnarren. Es waren die sog. Dorforiginale. Sie scherten sich einen Deut um die öffentliche Meinung und hatten meist eine liebenswürdige Macke, die sie einzigartig machte. Sie brachten Abwechslung und Lebendigkeit in das Alltagsleben der Menschen und waren oft deswegen beliebt und geschätzt. In der Literatur und im Film werden Dorforiginale oft als liebenswerte und skurrile Charaktere dargestellt, die das Leben in einer ländlichen Gemeinde bereichern und auf ungewöhnliche Weise zum Miteinander beitragen können.
Vielleicht wäre es gar nicht so abwegig, wir würden den Beruf des Hofnarren wieder einführen. Gerade in Zeiten der Veränderung brauchten Organisationen Hofnarren, die intelligent provozieren und irritieren. Arbeit hätte dieser Berufsstand also heute in Hülle und Fülle. Unsere studierten Personalverantwortlichen hätten jedoch garantiert ihre liebe Mühe, ein entsprechendes Anforderungsprofil zu erstellen. Deshalb gebe ich hier ein paar Anregungen.
- Grundsatz:
Das Anforderungsprofil eines Hofnarren ist in allen Punkten konträr zu allem Gewohnten zu gestalten. - Haupterfordernisse:
Ein Hofnarr zeichnet sich durch intelligente Naivität aus. Er passt in kein vorgegebenes Schema.
Er besitzt die Fähigkeit, die Dinge von allen Seiten, manchmal auch aus unmöglichen Perspektiven, zu betrachten.
Er muss manchmal so tun, als wäre er ein Spassmacher.
Falls Dir demnächst ein solches Anforderungsprofil in einem Stelleninserat begegnen sollte, kannst Du davon ausgehen, dass die Zeiten wieder besser werden.
Das sind tolle und sehr originelle Überlegungen, denen ich absolut beistimmen kann!
Ich sehe an so vielen Missständen, dass es der Gesellschaft und politischen Verantwortlichen sehr an diesen Hofnarren fehlt!
Diesem Artikel wünsche ich zahlreiche Leserschaft – vielleicht ist auch der eine oder andere dabei, der sich bewerben könnte …
Liebe Grüße aus Österreich & und auf wahrhaft bessere Zeiten!
C Stern
Ich glaube, es ist unabdingbar, in dieser „verkehrten Welt“ einen Standpunkt um 180 Grad einzunehmen. Dann passt’s!
Grossartig, lieber Hanspeter. DANKE! Die Aufgabe des Hofnarren, wie du schreibst, ist:
Er allein hatte das Recht, die Wahrheit zu sagen. Unverblümt. Als scharfer Beobachter des Zeitgeschehens war er der Einzige, der dem Herrscher die Wahrheit übermitteln und ihn auch in seinem Regieren kritisieren durfte.
Wer bei sogenannten Herrschern (und hier ja nicht gendern) heute, diese Aufgabe mutig übernimmt, wird verbannt, vergiftet, hingerichtet, ins Gefängnis geworfen. So lange es narzisstisch gestörte Staatsmänner gibt, kann auch kein Hofnarr etwas ausrichten. Einen Hofnarren in seinem Umfeld zuzulassen, würde ja Selbstkritik voraussetzen. Und diese fehlt in der Selbstherrlichkeit dieser Führer.
Ja, 180 Grad umdenken… was für ein schöner Traum.
Danke für deine guten Anregungen.
Danke Iris für Deine klaren Worte. Ja, wir leben in und leiden unter einer „narzisstischen Welt“ (oder eben in einer „verkehrten Welt“). Meine Hoffnung ist, dass es „Tante Karma“ dereinst richten wird…