Robert Fellmann – Der Mann, der dem Jodellied Flügel verlieh

Wenn heute auf einem Heimatabend der typische Klang eines Jodelchors durch den Konzertsaal zieht und ein Jodellied wie «Alpenacht» oder «E Wunsch» angestimmt wird, dann ist fast sicher: Robert Fellmann hatte seine Hände – besser gesagt, seinen Taktstock – im Spiel.

Der 1885 in Baar geborene und 1951 ebenda verstorbene Komponist hat wie kaum ein anderer das Schweizer Jodellied geprägt, geformt und zu einer kunstvollen Ausdrucksform erhoben, die tief im Volk verwurzelt ist.

Ein Leben zwischen Bauernhof und Bühne

Robert Fellmanns Weg begann bescheiden: Als Kind verbrachte er prägende Jahre auf dem Bauernhof seines Grossonkels in Uffikon. Dort lernte er, was es heisst, mit der Natur zu leben, den Jahreszeiten zu folgen, die Sprache der Tiere und des Windes zu verstehen. Diese frühen Eindrücke hallen in seinen Liedern bis heute nach.

Er erlernte das Holzbildhauerhandwerk und besuchte von 1908 bis 1913 die Kunstgewerbeschule Luzern – ein künstlerisches Fundament, das ihn prägte, auch wenn seine wichtigste Bühne nicht das Atelier, sondern die Welt der Klänge werden sollte.

Vom Naturjodel zum Jodelchorlied

Was Fellmann einzigartig macht, ist sein Gespür für die Verbindung von Tradition und Kunst. Seine Lieder wirken bodenständig und volksnah – und sind zugleich von grosser kompositorischer Raffinesse. Er brachte den Naturjodel, wie er in den Alpen überliefert war, in die Form des mehrstimmigen Männerchorlieds. Dabei ging nichts vom Ursprünglichen verloren. Im Gegenteil: Fellmanns Kunst bestand darin, das Echte zu bewahren und es durch musikalische Form zu veredeln.

Er selbst konnte aufgrund einer Stimmbänderentzündung während des Aktivdienstes nie öffentlich jodeln – und vielleicht war es gerade dieser Verlust, der ihn zum Zuhörer, Tüftler und schliesslich zum grossen Komponisten machte.

Lieder mit Herz und Witz

Fellmanns bekannteste Werke wie «Aber Nei!», «Bärgblueme», «Aelplertanz» oder «Abschied» sind längst Klassiker. Sie berühren, weil sie das Leben erzählen, wie es ist – mit Heiterkeit und auch Wehmut. Seine Texte sind bildstark, schalkhaft, oft mit einem feinen Augenzwinkern. Er konnte ebenso gut das Fest auf dem Dorfplatz wie die stille Sehnsucht nach der Heimat in Töne fassen. Dabei bleibt jede Strophe für sich geschlossen – wie ein kleiner literarischer Kosmos im grösseren musikalischen Gefüge.

Und dann dieser Jodel! Formenreich, rhythmisch raffiniert, niemals flach, sondern voll innerer Bewegung. Es ist kein Wunder, dass Fellmann bis heute als Meister des Jodelchorliedes gilt.

Ein Verleger aus Leidenschaft

1932 gründete er den Robert Fellmann Jodellieder-Verlag, der bis heute existiert und als bedeutendste Adresse für Schweizer Jodelliteratur gilt. Der Verlag wurde zu einem Hort der Pflege, Sammlung und Verbreitung des volkstümlichen Liedguts – lange bevor das Wort «Kulturerbe» zum Modebegriff wurde.

Fellmann war dabei nicht nur Komponist, sondern auch Bewahrer. In den 1940er-Jahren sprach er sich vehement gegen den zu sehr «akademisierten» Jodel aus und plädierte für den Erhalt des ursprünglichen Naturjodels. Es war ein künstlerischer und kultureller Standpunkt zugleich – und ein mutiger obendrein.

Erinnerung, die weiterklingt

Heute erinnern in Baar und Uffikon ein Brunnen und eine Statue an ihn. Die 1970 gegründete Robert Fellmann Stiftung bewahrt sein Erbe, unterstützt junge Jodler/innen, fördert auch verwandte Traditionen wie das Alphornblasen und das Fahnenschwingen. Sie sorgt dafür, dass sein Werk nicht verstaubt, sondern lebendig bleibt – in Stimmen, in Tönen, in Herzen.

Warum er uns heute noch etwas zu sagen hat

In einer Zeit, in der viele Volkslieder in Archiven schlummern, ist Fellmanns Musik quicklebendig geblieben. Vielleicht, weil sie nicht verklärend ist, sondern echt. Weil sie uns in einer Stimme, die wie aus den Bergen kommt, etwas erzählt, das wir auch heute noch verstehen: die Freude an der Natur, der Stolz auf das Eigene, die Schönheit der Gemeinschaft.

Fellmann schrieb keine Lieder für Podien – sondern für Menschen. Und diese singen sie bis heute.

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Ich bin Hanspeter Gautschin, Erzähler und Autor von BodeständiX – Geschichten, die bleiben.

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