Seit den 1990er Jahren gibt’s die akademischen Kulturmanager*innen, welche sich in den verschiedensten subventionierten Kulturbetrieben breitgemacht haben…

Und vor über 40 Jahren lernte ich das «Mänätschen» von Konzerten, Tourneen und weiteren Events von der Pike auf im knallharten Musikbusiness.

Blenden wir also zurück. Zum Beispiel ins Jahr 1983:

Die neudeutsche Welle schwappt über in die Schweiz. Die italienischen Cantautori haben in der Schweiz – speziell in der Region Basel – ihre grosse Fangemeinde.

Ich selber als Mitarbeiter einer Konzertagentur immer auf der Suche nach dem ultimativen Konzerterlebnis, welches sich auch in der Kasse wohltuend widerspiegelt.

Ich lümmle mich viel in der Basler Italo-Szene rum. Nicht nur wegen der Musik, aber doch auch. Eine nicht unattraktive Süditalienerin schwärmt mir von einem Pino Daniele (1955–2015).

Noch nie gehört.

Doch ziehe ich mir gleich ein, zwei Songs ‚rein. Nicht gerade mein bevorzugter Musikstil, doch dieser Pino hat etwas in seiner Musik, das mich anspricht.

Also: Recherchieren – das Internet gab’s damals noch nicht, auch kein Fax, lediglich den ehrwürdigen Telex –, telefonieren, überzeugen, verhandeln, rechnen und nochmals rechnen. Dann eine geeignete Halle suchen. Leider sind alle tauglichen besetzt, nur das klassische Stadtcasino Basel ist noch frei.

Die nächste Hürde.

Den Verwalter (ein rühriger Österreicher) überzeugen, dass der Pino Daniele hervorragend ins Stadtcasino passt. Endlich das «OK» und dann die Werbekampagne starten. Plakataushang, Vorverkauf, Lokalradios beknien, Zeitungen usw.

Dann der grosse Tag. Die Meute schart sich vor dem geschlossenen Gitter. Ja, ich wiederhole: Die Meute.

Das hatte ich wohl unterschätzt. Ich meinte, die streng sozialisierte Basler Cantautori-Fangemeinde mit Pino Daniele anzulocken.

Fehlgeschlagen.

Die kamen aus dem tiefsten Süden des Stiefels – ursprünglich.

Richtige Fans halt. Heissblütig. Ungeduldig. Ungezähmt.

Mir schwante Böses…

Ich seh‘ mich noch heute, wie ich mir überlegte, das grosse Gittertor zu öffnen, an dem die Italos schon kräftig rüttelten, ohne selbst niedergetrampelt zu werden.

Ich schrie meinen Helfern zu: «Auf eins, zwei und drei öffnen wir – und dann nix wie weg!»

Gesagt, getan. Das Tor öffnete sich und mit einem einzigen Schrei (Piiiiino!!!) erstürmten die Fans das altehrwürdige Stadtcasino.

Pino Daniele zelebrierte dann wirklich ein einmaliges Konzert. Die Fans waren hin und weg. Standen auf und traktierten die Plüschsessel. Rauchten und kifften trotz Rauchverbot. Tobten, was das Zeugs hielt.

Göttlich.

Doch eben: Der liebe Stadtcasino-Verwalter liess uns mitteilen, wie gross die Schäden seien. Mind. 2 x so hoch, wie der von mir flugs errechnete Reingewinn.

Oh weh. Was machen? Ich organisierte eine Putzequipe, und wir – ja auch ich – putzten während Stunden jeden Plüschsessel einzeln. Doch einige Sessel waren nicht mehr zu retten. Brandflecken und andere Flecken brachten wir nicht mehr raus.

Schlussendlich mussten wir, trotz unseres grossen Einsatzes, unseren ganzen Reingewinn dieses Konzertes für mindestens ein Dutzend neuer Stühle ausgeben.

Das ist zwar sicher nicht das, wovon heutige Kulturmanager*innen träumen, doch es ist nackte Realität. Kein noch so teures Diplomstudium in Kulturmanagement kann einem solches vermitteln. Es braucht dazu viel Praxis und noch viel mehr Herzblut und den Willen, den Besuchern (Fans) etwas Einmaliges zu bieten, und… die Hallen zu füllen.

Pino Daniele 1983. Übrigens in der gleichen Besetzung wie bei uns im Stadtcasino (u.a. mit Tony Esposito):

 

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