Ich bin in der glücklichen Lage, eine Nachbarsfamilie zu haben, die mir Lehrmeisterin für so Vieles geworden ist.

Diese Nachbarsfamilie lebt eine verschworene Gemeinschaft. Sie sind Besitzer einer Getränkehandlung, versorgen das Dorf und die angrenzenden Dörfer mit köstlichem Nass und das mit wirtschaftlichem Erfolg seit über 40 Jahren.

Daneben sind sie noch Teil-Selbstversorger. Unterhalten einen grossen Pflanzplätz, halten sich Kaninchen und heizen mit Holz aus eigenem Wald. Fast hätte ich es vergessen: Sie helfen ihrem Bruder/Schwager/Onkel tatkräftig beim Bauern – und das in hoher landwirtschaftlicher Kompetenz.

Nicht verschweigen möchte ich, dass sie mir beim Umbau unseres Hauses mit fachkundigem Rat und vor allem Tat beigestanden sind. Trotz dieses von Aussen gesehen grossen Arbeitspensums habe ich sie nie, auch gar nie, gestresst erlebt. Im Gegenteil.

Ab und zu helfe ich dem Nachbarn beim Ausführen der Getränke. Und ich mache das, obwohl diese Arbeit körperlich ziemlich anstrengend ist, sehr gerne. Überall, wo wir auftauchen, sind wir gern gesehen.

Mein Nachbar hat mich mit seinem Beispiel gelehrt, wie anstrengende Arbeit ohne körperlichen Verschleiss zu bewältigen ist: Bedächtiges jedoch stetes Arbeiten. Immer wieder eine Pause einlegen. Und vor allem: Nicht den ganzen Tag Serienarbeit abliefern, sondern sich Zeitnischen für andere Arbeiten und Pausen schaffen.

Mir persönlich gelingt es noch nicht ganz. Immer wieder passiert es mir, dass ich Stunden um Stunden an einer Computerarbeit hocke, um am Abend ernüchtert festzustellen, dass ich wohl Stunden gebolzt habe, das Arbeitsergebnis mich jedoch nicht befriedigen kann.

Ganz anders mein Nachbar. Er macht spätestens um 6 Uhr abends Feierabend. Gut, im Sommer kann es länger dauern, weil die Feld- und Gartenarbeit solches bedingen. Die Familie nimmt nach 6 Uhr das gemeinsame Abendessen ein, höckelt noch ein bisschen am Küchentisch und erzählt einander von den Erlebnissen des Tages. Und da kommt doch Einiges zusammen.

Für mich ist es immer wieder spannend, meinem Nachbarn zuzuhören, wenn er über seine Getränketouren berichtet. Obwohl die seit Jahr und Tag immer die Selbigen sind, gleichen sie sich jedoch nicht. Kürzlich habe ich mit ihm einen Aussteller an einer Baumesse in Bern mit Getränken beliefert. Es war jedes Mal ein grosses Abenteuer, die Securitas-Leute mit sanfter Wortwahl einzulullen, damit wir mit dem Lieferwagen die für uns günstigste Einfahrt wählen konnten. Das klappte vorzüglich und wir konnten uns danach bei einem Bierchen köstlich darüber amüsieren.

Ach ja, mein Nachbar ist auch ein Computerspezialist. Trotz seines Alters hat er das Getränkeprogramm bestens im Griff, macht nebenbei ohne grosses Aufsehen auch Änderungen daran. Erst kürzlich konfigurierte er es so, dass er nun auch den Zahlungsverkehr online einspeisen kann. Vorher geschah das noch mittels Disketten.

Wo andere Firmen eine kaufmännische Mitarbeiterin benötigen, macht er alles selber: Lieferscheine, Rechnungen, Retouren, Debitorenbuchhaltung etc. Nebenbei gesagt: Er verarbeitet jährlich mehr als 3’000 Kundenrechnungen. Alles im Alleingang.

Ja, es gäbe noch so Einiges zu erzählen. Mir hat die Nachabarsfamilie und insbesondere Fritz etwas Elementares gelehrt:

Sie haben das Einfache zur Lebenskunst kultiviert und vor allem: Sie lieben, was sie tun.

 

 

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