Die Vermischung von Kunst und Kultur

Pro Helvetia installierte kürzlich[1] im Rahmen ihres Programms «echo – Volkskultur zwischen Tradition und Innovation» einen sogenannten «Volkskultur-Blog», auf dem sich die «Bewahrer» und die «Erneuerer» zünftig aufs Dach geben können.

So weit, so gut. Die angeheuerten Blogger haben inzwischen ihre ersten Statements veröffentlicht. Unter anderem möchte ein Museumsdirektor aus dem Wallis eine Diskussion über die Begrifflichkeit von Volkskultur lancieren.

Er fordert Parameter, um später daraus allfällige Förderkriterien abzuleiten. Volkskultur soll also fördertauglich gemacht werden!

So diffus wie der Begriff Volkskultur, so schwammig sind auch seine Vorstellungen.

Mit vermeintlich feiner Klinge versucht er in seinem Beitrag, das übliche Bild von Volkskultur zu zeichnen: ideologisch, interessengebunden und kommerziell – ohne künstlerischen Anspruch! Dem setzt er die «autonome Kunst» entgegen – ein Schlagwort aus der «bewegten Jugend» der 1980er-Jahre.

Und genau da verorte ich das Dilemma der staatlichen Kulturförderung: Sie hat bis heute den Unterschied zwischen Kultur und Kunst nicht begriffen.

Sie vermengt beides und stilisiert es zu einem elitären Kulturverständnis empor, das es so gar nicht geben kann.

Kultur hat nämlich immer mit Tradition zu tun. Kunst hingegen stellt solche Traditionen in Frage. Kultur soll Identität stiften, Kunst bricht mit Regeln. In Wahrheit verfolgt Kunst einen ganz anderen – ja, sogar konträren – Zweck als Kultur. Wo Kultur sich selber als Tradition versteht, stellt Kunst diese in Frage. Wo Kultur identitätsstiftend wirken will, verunsichert Kunst. Wo Kultur Regeln legitimiert, bricht Kunst mit ebendiesen.

Dem habe ich wenig hinzuzufügen. Für mich erübrigt sich daher auch die Diskussion um die Begrifflichkeit von Volkskultur. Sie ist nämlich ein bewegender Teil unserer Kultur – aber sie ist eben Kultur und nicht Kunst.

Wer Volkskultur nach Kriterien der Kunstförderung zurechtbiegen will, betreibt letztlich Kulturtechnik im Labor. Was dabei herauskommt, ist oft steriler als das, was draussen in der «wilden» Realität an gelebter Kultur geschieht – jenseits der Fördertöpfe.

[1] Diesen Beitrag habe ich anlässlich des von Pro Helvetia initiierten Programms «echo – Volkskultur zwischen Tradition und Innovation» (2006–2008) verfasst.

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Ich bin Hanspeter Gautschin, Erzähler und Autor von BodeständiX – Geschichten, die bleiben.

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