In den letzten Monaten hatte der Regen ganz Europa im Griff, und die schauerlichen Regenfälle, die kürzlich Österreich und Teile Osteuropas in Mitleidenschaft gezogen haben, hinterlassen ihre Spuren.

Der Regenschirm ist in dieser Zeit wohl oder übel zu einem ständigen Begleiter geworden. Wenn das so weitergeht, wird das Jahr 2024 sicher als das «Jahr des Regenschirms» in die Annalen eingehen!

Interessanterweise wurde die moderne Konstruktion des Regenschirms bereits Mitte des 19. Jahrhunderts entscheidend weiterentwickelt. Im Jahr 1851 erfand der Engländer Samuel Fox das leichte, zusammenklappbare Drahtgestell, das die bis dahin üblichen schweren Schirmgestelle aus Holz und Fischbein ersetzte. Durch diese technische Neuerung wurde der Schirm für die breite Bevölkerung erschwinglich und zu einem alltäglichen Gebrauchsgegenstand, den sich schliesslich jeder leisten konnte. Fox selbst verdiente mit seiner Erfindung ein Vermögen.

Schon in der Antike waren Schirme bekannt und bei den Griechen und Römern beliebt, doch im Mittelalter gerieten sie wieder in Vergessenheit. Erst im 17. Jahrhundert tauchten sie in England und Frankreich erneut auf. Richtig populär wurde der Schirm jedoch erst nach 1719, als Daniel Defoes «Robinson Crusoe» erschien – ein Held, der stets seinen Schirm bei sich trug. In England war es John Hanway, der Gründer des Londoner Hospitals, der 1756 als Pionier des Regenschirms auftrat. Er wurde fälschlicherweise oft als Erfinder des Schirms angesehen, obwohl er lediglich ein Vorreiter in dessen Nutzung war. Seine Neuerung rief den Unwillen der Droschkenkutscher und Sänftenträger hervor, die befürchteten, durch den Schirm finanzielle Einbussen zu erleiden.

Auch in der Modewelt setzte der Schirm Akzente: Paris bestimmte für die Jahre 1788 weisse, 1789 grüne, 1791 rote und 1804 blaue Schirme als Trend. 1773 wurde in Frankreich ein Schirm mit Blitzableiter vorgestellt, und 1810 kam ein Modell mit einer Regenrinne aus Stoff auf den Markt. In der Schweiz war der Schirm bis Mitte des 18. Jahrhunderts ein seltenes Luxusobjekt, meist plump und ohne jegliche Eleganz. Frühe Schirme bestanden aus Holz, gewachstem Tuch oder Ölpapier, und ihre Besitzer wurden oft verspottet, da der Schirm als Zeichen der Verweichlichung galt. Manche meinten sogar, ein «Regendach» sei ein Eingriff in die göttliche Ordnung, denn Regen sei eine Prüfung, der man sich nicht entziehen dürfe.

Allmählich aber gewann der Regenschirm an Beliebtheit, besonders in den Städten und später auch auf dem Land. Er verdrängte das sogenannte Regentuch, einen Umhang, der den Träger vom Kopf bis zu den Füssen schützte. Im französischsprachigen Teil der Schweiz wurde es bald zur Tradition, dass jede Ortschaft zumindest einen Schirm besass, den der Besitzer an regnerischen Sonntagen dem Pfarrer zur Begleitung zur Kirche und zurück zur Verfügung stellte. In Saint-Aubin war es der Geistliche Pasteur Vaucher, der lange Zeit den einzigen Schirm des Dorfes besass und diesen gerne auslieh, wenn jemand nach Neuenburg reiste.

Vor etwa 150 Jahren kostete ein Regenschirm noch um die 30 Franken – ein hoher Preis, der erklärte, warum ein Schirm oft über mehrere Generationen vererbt wurde. Diese frühen Modelle waren sperrig, wogen fünf bis sechs Pfund und boten Schutz für mehrere Personen. Sie konnten nicht einfach wie Spazierstöcke getragen werden, sondern mussten waagrecht unter den Arm geklemmt werden, wenn sie nicht geöffnet waren. Trotz ihrer Grösse wurden Schirme bereits damals häufig stehen gelassen. Schon in der Zeit vor der Helvetik findet man in schweizerischen Zeitungen Anzeigen von Schirmbesitzern, die ihre verlorenen Besitztümer wiederzufinden hofften.

Im Laufe der Jahrhunderte hat der Regenschirm viele Wandlungen durchlaufen, doch eines blieb ihm stets erhalten: Seine unerfreuliche Angewohnheit, immer wieder «vergessen» zu werden. Auch heute noch versammeln sich verlorene Schirme bevorzugt an ihrem beliebtesten Treffpunkt – dem Fundbüro!

 

Pin It on Pinterest