Ich gebe es zu: Auch ich habe kurz gestutzt, als ich kürzlich in einem Prospekt den «Sitzhasen» entdeckte. Kein Scherz. Kein Aprilscherz. Einfach ein sitzender Hase – ohne Kontext, ohne Geschichte, ohne Namen.
Das macht nicht wütend. Aber nachdenklich.
Es ist eher dieses feine Unbehagen, das sich einstellt, wenn etwas plötzlich nicht mehr ganz stimmig wirkt.
Der Osterhase – ein Symbol irgendwo zwischen Frühlingsahnung, Kinderfreude und christlicher Auferstehungshoffnung – war nie nur Deko. Er hatte Bedeutung.
Ein kulturelles Gedächtnis. Ein Bild mit Wurzeln.
Und jetzt? Sitzhase.
Austauschbar.
Ohne Anlass, ohne Herkunft, ohne Auftrag. Einfach nur noch: neutral. Ganzjahreskompatibel.
Die offizielle Begründung klingt, wie solche Begründungen oft klingen: Lagerlogistik, Sortimentsneutralität, besser planbar. Vielleicht auch Rücksichtnahme – wobei offenbleibt, auf wen genau Rücksicht genommen wird.
Es ist, als ob man sich vorsorglich wegduckt. Bloss niemandem zu nahe treten. Also benennt man lieber nichts mehr.
Und genau da liegt das Problem.
Denn mit dem Namen verschwindet auch die Bedeutung.
Wenn ein Hase nicht mehr «Osterhase» heissen darf, verliert er nicht nur ein Wort. Er verliert seinen Sinn.
Manche sagen sogar, «Ostern» sei zu religiös aufgeladen. In Schulen, Kitas oder städtischen Einrichtungen wäre das deshalb heikel.
Ich finde, das ist ein stilles Zurückweichen vor der eigenen Kultur. Kein lauter Angriff, kein Verbot – aber ein schleichender Bedeutungsverlust.
Und das geschieht nicht nur mit dem Hasen.
Weihnachtsmarkt wird zu Wintermarkt. Das Krippenspiel zum Jahresabschlussstück. Der Nikolaus mutiert zum «Zipfelmann».
Es sind kleine sprachliche Verschiebungen – oft als harmlos verkauft –, aber sie verschieben mehr, als man denkt.
Unsere Sprache ist nicht nur Dekoration. Sie gibt Dingen ihren Platz. In unseren Köpfen. In unseren Herzen.
Wer solche Entwicklungen hinterfragt, läuft schnell Gefahr, in eine Ecke gestellt zu werden.
Als konservativ. Oder gar politisch verdächtig.
Aber darum geht es nicht.
Man muss keine Partei wählen, um zu empfinden, dass da etwas verloren geht.
Es genügt, hinzuschauen. Und das leise Verschwinden nicht einfach zu übergehen.
Denn irgendwann wissen wir nicht mehr, warum der Hase überhaupt da sitzt.
Dann ist er nur noch ein Plüschobjekt mit Schokoladearoma.
Und ja – das wäre schade.
Andere Länder gehen da entspannter mit ihrer Tradition um.
In Frankreich, Italien oder sogar im oft säkularen Grossbritannien ist es kein Problem, wenn der öffentliche Raum von Weihnachten, Ostern oder Heiligen spricht.
Weil man dort offenbar begriffen hat: Eine offene Gesellschaft muss ihre Herkunft nicht verstecken.
Im Gegenteil – sie darf sie zeigen.
Nicht um auszugrenzen. Sondern um einzuordnen.
Es ist kein Affront gegen andere Kulturen, wenn man die eigene sichtbar hält.
Und es ist kein Rückschritt, wenn man Worte wie «Ostern» nicht aufgibt, nur weil sie Wurzeln haben.
Wurzeln sind nicht ewig gestrig. Sie tragen.
Während ich diesen Text schreibe, liegt ein kleiner Osterhase aus weisser Schokolade auf meinem Tisch – so einer, wie ich ihn schon als Kind geliebt habe.
Ich schau ihn an – er sitzt, das stimmt.
Aber ich verspreche ihm: Für mich bleibst du ein Osterhase.
Egal, ob du sitzt oder stehst.
«Ein Volk, das seine Feste nicht mehr kennt, kennt sich selbst bald nicht mehr.»
(Frei nach einem alten europäischen Sprichwort)
Lieber Hanspeter,
auch für mich bleibt es beim Osterhasen, beim Weihnachtsmarkt, beim Adventkalender, beim Gipfelkreuz –
ich habe es hautnah miterlebt, dass wir Pädagog*innen immer stärker bedrängt wurden. Unsere eigene Kultur sollten wir zugunsten anderer Kulturen zurückstellen, das waren definitiv Forderungen von Eltern. Dabei haben wir auch Feste anderer Kulturen besprochen und gefeiert, dafür gab es immer Raum.
„Es ist kein Affront gegen andere Kulturen, wenn man die eigene sichtbar hält.“ – Ich sehe es genau so. Ich danke Dir für Dein wichtiges Aufzeigen! Fühle mich Deiner Betrachtung sehr verbunden.
Herzliche Grüße, C Stern
Ich schliesse mich dem Kommentar von C Stern total an. Wollte selbst etwas ausdrücken, fand aber dass C Stern klar einbringt, was ich vielleicht zu kompliziert ausgedrückt hätte. Danke für Deine Ueberlegungen zu Festtagsbedeutungen und danke an C Stern für ihren Kommentar.