Wenn das Leben immer woanders ist

Warum scheinen so viele Menschen nie anzukommen? Warum ist das Glück immer «dort», aber nie «hier»?

Es gibt Menschen, die scheinen nie anzukommen.
Kaum haben sie etwas erreicht, denken sie schon ans Nächste.
Noch ein Ziel, noch ein Projekt, noch ein Titel.
Noch etwas mehr – dann, ja dann…

Aber dieser Moment kommt nie.
Denn der nächste Moment frisst den jetzigen immer gleich auf.

Die Getriebenen erkennt man daran, dass sie nicht still sein können.
Nicht im Kopf, nicht im Herz, nicht im Leben.
Sie hetzen durch den Tag – und wenn er vorbei ist, haben sie das Gefühl, sie seien zu kurz gekommen.

Und so jagen sie weiter.
Nicht, weil sie gierig sind –
sondern weil sie glauben, das Leben sei immer woanders.

Ein Mensch, der das Leben wirklich gekostet hat,
weiss: Die Freude ist hier. Jetzt.

Er muss nicht nach Delhi. Nicht ins Weisse Haus.
Nicht auf irgendeinen Gipfel.

Er hat Bedürfnisse, ja – er ist nicht weltfremd.
Aber er hat kein Verlangen.
Und das ist ein himmelweiter Unterschied.

Bedürfnisse sind einfach:
Ein bisschen Wärme. Ein Dach. Ein paar Hände. Etwas Brot.
Ein gutes Gespräch. Eine ehrliche Pause.

Verlangen hingegen will nicht still werden.
Es dehnt sich aus, sobald du es berührst.
Heute willst du einen Applaus –
morgen brauchst du eine Bühne.

Verlangen ist ein Loch im Bauch, das nie satt wird.

Warum fällt es so schwer, einfach da zu sein?
Warum glauben wir, wir müssten jemand werden – statt jemand zu sein?

Vielleicht, weil wir es nie lernen durften.
Weil uns von klein auf erzählt wurde: Du musst etwas leisten. Du musst etwas darstellen. Du musst nach oben.
Und irgendwann glauben wir das.
Und nennen es «Zielstrebigkeit».

Eine Gesellschaft, die auf innerer Leere basiert, braucht Ersatz:
Wenn Liebe fehlt, wird Geld geliebt.
Wenn Stille fehlt, braucht es Lärm.
Wenn Nähe fehlt, wird Karriere wichtig.

Das ist kein Zufall. Es ist ein System.
Denn wer erfüllt ist, ist frei.
Und wer frei ist, lässt sich nicht so leicht manipulieren.

Vielleicht wäre alles einfacher, wenn man den Menschen nicht sagen würde,
dass das Leben irgendwo anders sei.

Vielleicht reicht es, wieder hier zu sein.
Mit dem, was da ist.
Mit dem, was fehlt.
Mit dem, was wächst.

Denn wer angekommen ist, muss nicht mehr rennen.
Er geht – und spürt den Boden.

 

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Ich bin Hanspeter Gautschin, Erzähler und Autor von BodeständiX – Geschichten, die bleiben.

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