Weshalb Künstler selten eine Künstlerseele haben

Ich staune immer wieder über den Erfindungsreichtum der Psychologen, Soziologen, Ökonomen –  natürlich auch über die weiblichen. Sie konstruieren Begrifflichkeiten, um uns Menschen zu katalogisieren. Dann verkaufen sie dazu passende Rezepte.

Ein einträgliches Geschäft. Da mach‘ ich doch gleich auch mit. Meine persönliche Verschlagwortung ist jedoch einfacher gehalten: Bei mir gibt‘s lediglich drei Menschentypen:

  • Die Künstlerseele
  • Die Krämerseele
  • Die Duckmäuserseele

Ich meine zu wissen, dass wir ausnahmslos mit einer Künstlerseele hier auf Erden starten. Dann vertauschen wir sie aus Eigennutz oder aus Angst. Die Cleveren greifen zur Krämerseele, weil sie sich damit mehr persönlichen Gewinn versprechen. Die Ängstlichen sehen für sich keine andere Auswahlmöglichkeit, als eben die Duckmäuserseele, weil sie sich damit grössere Überlebenschancen auf diesem unwägbaren Planeten ausrechnen. Ein verschwindend kleiner Teil bleibt der Künstlerseele treu. Das sind die Geber dieses Planeten, ohne deren Gaben und Schöpfungen die Krämerseelen wie auch die Duckmäuserseelen nicht existieren könnten. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass die meisten Menschen unter einer Künstlerseele einen waschechten Künstler oder eine waschechte Künstlerin verstehen. Also eine Schriftstellerin, eine Malerin, einen Schauspieler, einen Performancekünstler. Natürlich möchte ich nicht abstreiten, dass auch unter offiziellen Künstlern und Künstlerinnen hie und da eine Künstlerseele anzutreffen ist. Doch in diesen Kreisen dominiert eher die Krämerseele. Die meisten Künstler/innen schielen nur zu gerne dorthin, wo‘s was zu holen gibt und produzieren das, was dort gefragt ist. Es scheint nun so, als würde ich die Künstlerseele in den Himmel rühmen und Häme über die Krämerseele schütten. Dem ist jedoch nicht so. Die Krämerseele hat durchaus ihre Berechtigung. Immerhin verfügen sämtliche führenden Köpfe in Wirtschaft, Politik, Bildung und Kultur über eine solche. Also verdankt unsere moderne Welt den Krämerseelen so Einiges:

  • Effiziente Grossunternehmen mit beachtlicher Eigenkapitalrendite
  • Kostengünstige Kinderarbeit
  • Leicht bekömmliche Fernsehkost
  • Ein dichtes Autobahnnetz mit völkerverbindenden Staus
  • Verschiedene Finanzbubbles, welche unseren hohen Lebensstandard erst ermöglichen

Du siehst, ich verachte die Krämerseele nicht im Geringsten. In meinem kleinen Exkurs habe ich den dritten Typus noch anzusprechen: Die Duckmäuserseele. Nun gut, da gibt es eigentlich nicht viel darüber zu schreiben. Das Wort selbst erklärt wohl schon das Meiste. Die Duckmäuserseele dominiert mengenmässig unsere menschliche Gesellschaft. Sie ist nie alleine unterwegs, sondern immer in der Herde mit anderen Duckmäuserseelen anzutreffen, angetrieben von der reinen Gier, ja nichts zu verpassen:

  • Wenn‘s Schnäppchen zu ergattern gilt, dann spurten zuerst die Duckmäuserseelen.
  • Wenn‘s irgendwo brennt, dann sind sie die ersten Gaffer.
  • Wenn‘s jedoch gilt anzupacken, dann sind sie wiederum die Ersten, die verschwinden

Die Duckmäuserseele ist der Krämerseele verwandt, jedoch mit dem grossen Unterschied, dass sie nur in der anonymen Masse überleben kann. Sie ist die eigentliche Manipuliermasse der Krämerseele:

  • Das Stimmvieh für die Politik
  • Der willige Konsument für die Wirtschaft
  • Der dankbare Depp für die Verdummungsindustrie

 

 

4 Kommentare

  1. Markus Schneider-Kettiger

    Hallo Hanspeter,

    ich habe deine Geschichte soeben meiner Frau vorgelesen. Wir haben sie seht genossen! Der Schluss ist etwas abrupt. Es fehlt das Therapieangebot!

    Noch etwas in eigener Sache. Ich habe mir noch immer keinen Hobokocher angeschafft. Und heute wäre es doch so schön regnerisch und kalt! Ideal für einen Sonntagsbraten im Wald. Liegt das an meiner Duckmäuserseele? Ich werde mal on mich gehen und nachforschen…

    Schönen Sonntag und liebe Grüsse aus Kleinlützel,
    Markus

  2. Hanspeter Gautschin

    Hallo Markus

    Also, wenn Du alleine, oder auch zu zweit, im Walde Dein Süppchen auf dem Hobokocher kochen würdest, wärst Du garantiert keine Duckmäuserseele. Da könntet Du Dich als Künstlerseele rühmen.
    Schön, dass Du und Deine Frau diese Geschichte genossen habt.

  3. Peter staehelin

    Guter Blog, wenn man das so sagen darf. Leider sind die Kommentare wie in den meisten Medien selten auf der Höhe der Aussagen selber.
    Grüsse aus Europa

  4. Hanspeter Gautschin

    Hoi Peter, danke für deine Rückmeldung – sie hat mich gefreut, auch weil sie zeigt, dass da jemand wirklich gelesen hat.
    Deine Beobachtung zur Kommentarkultur teile ich übrigens – manchmal scheint es, als würden die Kommentare nicht mit dem Text, sondern mit einer anderen Realität in Dialog treten. Umso mehr freut es mich, wenn jemand hinschaut und zwischen den Zeilen liest.

    Herzliche Grüsse zurück – auch aus Europa!
    Hanspeter

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Ich bin Hanspeter Gautschin, Erzähler und Autor von BodeständiX – Geschichten, die bleiben.

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