Die vergessene Geschichte des Schweizer Schlagers

Es gibt Momente, in denen die Vergangenheit plötzlich zum Leben erwacht. Ein alter Schlager im Radio, und schon fühle ich mich in die Zeit zurückversetzt, als meine Mutter mir ihre Lieblingslieder vorsang.

Diese Lieder, die einst in den 1930er und 1940er Jahren die Schweiz verzauberten, sind heute fast vergessen. Doch sie erzählen eine faszinierende Geschichte – die Geschichte des Schweizer Schlagers.

Der Aufstieg des Schweizer Schlagers in den 1930er Jahren

Die späten 1930er Jahre waren eine bewegte Zeit. Die Welt stand am Rande eines Krieges, doch in der Schweiz entstand eine neue musikalische Bewegung, die das Land für kurze Zeit in eine andere Welt entführte. Komponisten wie Artur Beul und Robert Barmettler schufen Lieder, die moderne amerikanische Tanzmusik mit traditionellen Schweizer Volksweisen verbanden. Dies war der Beginn einer einzigartigen musikalischen Ära, die bald als «Schweizer Schlager» bekannt werden sollte.

Diese Lieder, oft in Mundart gesungen, erzählten Geschichten vom Leben auf dem Land, von der Natur und der Liebe. Für viele junge Menschen jener Zeit war der Schweizer Schlager mehr als nur Unterhaltung – er war Ausdruck eines neuen, modernen Lebensgefühls. Gleichzeitig sorgten die modernen Klänge bei den Traditionalisten für Unruhe. Sie sahen in dieser Vermischung von amerikanischen Rhythmen und Schweizer Volksmusik eine Bedrohung für die «echte» Volkskultur. Doch die Jugend liess sich davon nicht beirren. Hits wie «’s Margritli» und «Nach em Räge schint d Sunne» wurden schnell zu Gassenhauern und prägten die musikalische Landschaft der Schweiz.

Die Gesichter des Schweizer Schlagers

Wer waren die Menschen hinter dieser musikalischen Revolution? Die Geschwister Schmid, ein Gesangstrio, das mit ihren harmonischen Stimmen das Publikum verzauberte, und Martha Mumenthaler, deren klare Stimme eine ganze Generation zum Träumen brachte, prägten den Schweizer Schlager wie kaum andere. Ihre Musik sprach die Sehnsucht nach einem einfachen, glücklichen Leben an, ein Leben, das vielen während der Kriegsjahre und in den wirtschaftlich schwierigen Zeiten danach verloren schien.

Artur Beul, einer der einflussreichsten Komponisten jener Zeit, schrieb Lieder, die die Schweizer Seele berührten. Er verstand es, die Schönheit der heimischen Landschaft und die schlichten Freuden des Alltags in musikalische Geschichten zu verpacken.

Der Niedergang und die Wiedergeburt

Doch wie so vieles, was neu und aufregend beginnt, verblasste der Glanz des Schweizer Schlagers mit der Zeit. In den 1950er Jahren übernahm die internationale Popmusik die Vorherrschaft in den Schweizer Radios. Chuck Berry, Elvis Presley, später die Beatles und andere internationale Grössen machten es dem heimischen Schlager schwer, sich zu behaupten. Die alten Lieder, die noch vor wenigen Jahren so populär gewesen waren, verschwanden aus den Köpfen und Herzen der Menschen.

Doch die Geschichte des Schweizer Schlagers war damit nicht zu Ende. In den 1970er Jahren erlebte die Schweizer Mundartmusik eine neue Blütezeit – diesmal in Form des Berner Mundartrocks. Künstler wie Polo Hofer griffen die Tradition des Mundartgesangs auf und führten sie in eine moderne Richtung. Diese Musikrichtung war rauer, rebellischer und sprach die Probleme der Gegenwart an, doch sie bewahrte den Geist des alten Schlagers: die Sehnsucht nach Zugehörigkeit und einem Ort, an dem man sich sicher fühlen kann.

Ein Fazit über Zeit und Musik

Nichts bleibt ewig – weder in der Musik noch im Leben. Der Schweizer Schlager, einst so lebendig, ist heute fast vergessen. Doch in den Erinnerungen vieler Menschen lebt er weiter, genauso wie in meinen Erinnerungen an die Lieder meiner Mutter. Und wer weiss? Vielleicht wird eines Tages wieder jemand in der Schweiz einen Schlager schreiben, der die Herzen der Menschen berührt. Denn die Sehnsucht nach einem Lebensgefühl von Abenteuer, Zufriedenheit und Heimat ist etwas, das niemals vergeht.

 

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Ich bin Hanspeter Gautschin, Erzähler und Autor von BodeständiX – Geschichten, die bleiben.

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