Vor ein paar Jahren, als ich mich gerade in einer Phase befand, in der ich alles Mögliche ausprobierte – und das Unmögliche gleich mit dazu – da stiess ich auf einen Kurs, der meine Fantasie besonders kitzelte: Einen Tierkommunikationskurs.
Ja, genau das, wonach es klingt! Ein Kurs, bei dem man lernen soll, auf telepathische Weise mit Tieren zu sprechen. Klingt verrückt? Absolut. Aber genau das war ja der Reiz.
Ich ahnte schon damals, dass ich mit dieser Geschichte höchstwahrscheinlich eher Kopfschütteln ernten würde, was mir insgeheim aber auch eine gewisse Freude bereitete. Das Unverständnis anderer ist manchmal die beste Würze im Einheitsbrei des Alltags.
Der Kurs fand in einem gemütlichen Raum statt. Unsere Kursleiterin empfing uns mit einem Lächeln, das gleichzeitig beruhigte und neugierig machte. Sie war nicht einfach nur eine Kursleiterin; sie war eine wahre Meisterin der Tierkommunikation. Und sie hatte eine besondere Geschichte, die sie uns am ersten Kurstag erzählte, um uns zu zeigen, wie tief die Verbindung zwischen Mensch und Tier wirklich gehen kann.
Die Geschichte drehte sich um ihren Hund, einen stattlichen Jagdhund, der sie an diesem Tag im Kurs begleitete. Er lag ruhig zu ihren Füssen, den Kopf auf die Pfoten gelegt, die Augen aufmerksam, als ob er genau wüsste, dass er nun im Mittelpunkt stand. Sie begann zu erzählen, wie sie eines Tages Zeugin eines für sie sehr aufschlussreichen Ereignisses wurde.
Es war einer jener Tage, an denen die Welt draussen zu still schien, als ob sie auf ein Unwetter wartete. Die Kursleiterin, nennen wir sie Veronika, war gerade dabei, die Zeitung zu lesen, als sie plötzlich eine Katze ins Haus schlüpfen sah. In ihrem Maul zappelte eine kleine Maus, die noch lebte – gerade noch. Ohne lange nachzudenken, sprang Veronika auf und wollte die Maus retten, sie nach draussen bringen und in die Freiheit entlassen. Doch bevor sie auch nur in die Nähe der Katze kam, verwandelte sich der friedlich dösende Jagdhund in eine rasende Furie. Blitzschnell schoss er an ihr vorbei, packte die Maus und – zack! – war sie tot. Kein Atemzug, kein Zucken mehr. Tot.
Veronika stand da, die Hand immer noch ausgestreckt, als ob sie die Zeit zurückdrehen könnte, und starrte ihren Hund fassungslos an. «Warum, zum Teufel, hast du das getan?» fragte sie schliesslich, eher an sich selbst als an den Hund gerichtet.
Doch zu ihrer Überraschung und wahrscheinlich auch ein wenig zu ihrer Bestürzung, antwortete der Hund. Nicht laut, versteht sich, sondern in jener stillen, inneren Stimme, die wir alle haben, aber nur selten wirklich hören. «Das war der Jagdhund in mir», sagte er, und in seiner Antwort lag eine tiefe Traurigkeit. «Ich konnte nicht anders. Es war mein Instinkt.»
Veronika erzählte uns diese Geschichte mit einer solchen Ruhe und Ernsthaftigkeit, dass keiner von uns auch nur einen Moment daran zweifelte, dass sie die Wahrheit sprach. Und die Moral dieser Geschichte, die sie uns ebenso ruhig, aber eindringlich mit auf den Weg gab, war vielleicht noch überraschender als die Geschichte selbst.
«Tiere», erklärte Veronika, «haben wie wir Menschen ein genetisches Erbe, eine Art Mantel, der über ihrer Seele liegt. Diese tierische Natur ist stark, manchmal stärker als ihr spirituelles Selbst. Es ist dieses genetische Programm, das sie oft steuert. Und in diesem Moment hat der Jagdhund in meinem Hund die Oberhand gewonnen.»
Während sie sprach, glitt ihr Blick über die Runde, als wollte sie sicherstellen, dass jeder die Tiefe ihrer Worte verstand. «Das gleiche Prinzip», fuhr sie fort, «gilt auch für uns Menschen. Manche von uns tragen ein anderes, aber ebenso starkes genetisches Erbe in sich. Nehmen wir zum Beispiel einen Banker. Viele Menschen verurteilen ihn für seine Gier, für sein unstillbares Verlangen nach mehr. Aber was wäre, wenn diese Gier nichts weiter als sein genetischer Mantel ist? Was wäre, wenn seine Seele längst dem Gott Mammon geopfert wurde? Sollten wir ihn dann nicht genauso wie den Hund für seinen Instinkt verstehen und ihm vergeben? Schliesslich tut er nur, was er tun muss.»
Ich weiss noch, wie ich nach dieser Geschichte tief in Gedanken versunken war. Was für eine Vorstellung – dass wir alle nur Marionetten unserer genetischen Programmierung sind, gefangen in einer Rolle, die wir nicht wirklich gewählt haben, und dennoch nach den Regeln spielen müssen, die uns auferlegt wurden. Aber Veronika wollte uns nicht einfach in fatalistisches Denken stürzen. Im Gegenteil, sie gab uns eine andere Perspektive: Vielleicht, so ihre implizite Botschaft, sollten wir lernen, über diese Programme hinauszuwachsen, unsere Seele wieder in den Vordergrund treten zu lassen. Vielleicht können wir alle lernen, weniger wie Jagdhunde und mehr wie spirituelle Wesen zu handeln, auch wenn es uns manchmal schwerfällt.
Dieser Kurs hat mir auf jeden Fall eines gezeigt: Das Leben steckt voller unerwarteter Lektionen, und manchmal kommt die tiefste Weisheit aus den Augen eines Hundes, der einfach nur seinem Instinkt folgt. Und wenn wir diese Weisheit erkennen und daraus lernen, dann können wir vielleicht auch beginnen, die Welt um uns herum mit anderen Augen zu sehen – mit den Augen eines Menschen, der weiss, dass es mehr gibt, als das, was wir auf den ersten Blick wahrnehmen.
Und wer weiss, vielleicht werde ich eines Tages wirklich ein Meister der Tierkommunikation. Aber bis dahin bleibe ich lieber ein neugieriger Schüler des Lebens, immer auf der Suche nach den nächsten unerwarteten Einsichten, die mir das Universum in seiner unendlichen Weisheit zuflüstert.
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