Lenzmonat – Der März als Zeit des Erwachens

Der Monat März verdankt seinen Namen dem römischen Kriegsgott Mars – mensis Martius –, denn in der Antike begannen mit ihm wieder die kriegerischen Auseinandersetzungen, die während des Winters ruhten.

Doch der März steht nicht nur für das Wiedererwachen menschlicher Leidenschaften, sondern vielmehr für eine universelle Wiedergeburt der Natur.

Vor 154 v. Chr. markierte der März in Rom den Jahresbeginn, eine Tradition, die sich bis heute in Persien erhalten hat. In der «Chalanda Marz» des Engadins, einem fröhlichen Frühlingsfest der Jugend, klingt vielleicht noch das alte römische Neujahrsfest am 1. März nach. Nach uraltem Glauben wurde die Welt selbst im März erschaffen – und zur Zeit der Frühlingstagundnachtgleiche soll die Sonne an die Pforte der Götterburg Walhalla getreten sein.

Das stille Erwachen der Natur

Der März ist ein Monat des leisen Wandels. Langsam schält sich die Natur aus dem Griff des Winters: Ein rosiger Schein küsst die morgendliche Landschaft, Nebelschwaden lösen sich auf, und ein frischer, blühender Tag hebt sich aus der Erstarrung.

Hoch über den ersten grünen Feldern steigt die Lerche, oft schon im Februar, steil in den Himmel und begrüsst das junge Licht mit jubelndem Gesang. Der Star kehrt als einer der ersten Zugvögel aus Nordafrika zurück, gefolgt von Reihern, Störchen und Singdrosseln aus südlicheren Regionen. In Hecken und Bäumen beginnen Meisen, Goldammern und Rotkehlchen geschäftig mit dem Nestbau.

Nicht nur die Vogelwelt erwacht: Zittrig taumeln die ersten Schmetterlinge durch den werdenden Frühling – oft zu früh, denn ein plötzlicher Frost kann ihr vorschnelles Leben jäh beenden. Doch unerschrocken wagen sich die ersten Blüten hervor: Weiden- und Haselkätzchen schmücken die kahlen Zweige mit schlichter Anmut. An sonnigen Tagen summt bereits erstes Insektenleben umher, und Bienen beginnen, den wartenden Blüten ihre ersten süssen Gaben zu entreissen.

Aus den noch zögerlich ergrünenden Wiesen ragen die ersten Schneeglöckchen hervor – kühne Vorboten des Frühlings. Neben ihnen ducken sich bescheiden die ersten Veilchen ins Gras. Schlüsselblumen und Krokusse folgen – ein untrügliches Zeichen dafür, dass der Frühling endgültig Einzug hält.

Wiederkehr des Lebens

Die Wälder wirken im März besonders licht und durchscheinend, fast wie zu keiner anderen Zeit im Jahr. In dichten Scharen breiten sich Buschwindröschen über den moosigen Waldboden aus. Ihre weissen Blüten öffnen sich der Sonne, um sich abends wieder schüchtern vor der Kälte zu schliessen.

Mit dem März endet auch der Winterschlaf vieler Tiere. Plötzlich beginnt sich ein kleines Erdklümpchen zu bewegen, ein Paar winziger Füsschen erscheint – eine Eidechse huscht durch das Laub. Schnecken, Käfer und zahlreiche andere Lebewesen regen sich, und in Teichen und Flüssen steigen Fische und Frösche aus dem schlammigen Grund zur Oberfläche auf.

Auch der Mensch kehrt voller Tatendrang ins Freie zurück. In Gärten wird umgegraben und gedüngt, auf den Feldern wird gepflügt und geeggt, und mit sorgfältigen Schritten bringt der Bauer die Sommersaat ins aufgebrochene Erdreich.

Das Geheimnis von Werden und Vergehen

Mit dem zunehmenden Licht erwacht die ganze Welt zu neuem Leben. Unmerklich bereitet sich die Natur auf das Ostergeheimnis vor – auf jenes grössere Werden, das erst durch einen vorangegangenen Tod möglich wird. Denn nur, was vergeht, kann neu entstehen. Wie die Raupe in der Puppe sich nahezu vollständig auflöst, um als Schmetterling zu erwachen, so muss auch die Natur sterben, um umso prachtvoller wiederzukehren.

Und auch für den Menschen bleibt dieses «Stirb und Werde» eines der tiefsten und schönsten Geheimnisse des Lebens.

Erklärungen zu den Begriffen:

  • Mensis Martius: Lateinischer Name für den Monat März, abgeleitet vom römischen Kriegsgott Mars. Vor 154 v. Chr. war der März der erste Monat des Jahres im römischen Kalender.
  • Chalanda Marz: Ein traditionelles Frühlingsfest im Engadin (Schweiz). Kinder ziehen am 1. März mit Glocken durch die Dörfer und «schellen den Winter aus». Dieser Brauch geht möglicherweise auf das römische Neujahrsfest zurück.
  • Frühlingstagundnachtgleiche: Ein astronomisches Ereignis, das um den 20. oder 21. März stattfindet. An diesem Tag sind Tag und Nacht etwa gleich lang, weil die Sonne genau über dem Äquator steht. Es markiert den kalendarischen Frühlingsbeginn.
  • Walhalla: In der nordischen Mythologie die «Halle der Gefallenen». Sie liegt in Asgard, der Götterwelt, und wird von Odin regiert. Hierhin gelangen tapfere Krieger nach ihrem Tod, um sich auf die letzte Schlacht (Ragnarök) vorzubereiten.
  • Buschwindröschen: Eine kleine, weisse Frühlingsblume, die oft in dichten Gruppen auf Waldböden wächst. Sie öffnet ihre Blüten tagsüber und schliesst sie bei Kälte oder am Abend.
  • Schneeglöckchen: Eine der ersten Blumen des Jahres, die oft noch durch die Schneedecke bricht. Sie gilt als Symbol für den nahenden Frühling.
  • «Stirb und Werde»: Ein bekanntes Zitat aus Goethes Gedicht Selige Sehnsucht. Es beschreibt den Kreislauf von Vergänglichkeit und Erneuerung – ein zentrales Motiv im Frühling, wo nach dem «Tod» des Winters neues Leben entsteht.

 

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Ich bin Hanspeter Gautschin, Erzähler und Autor von BodeständiX – Geschichten, die bleiben.

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