Jacob Degen – Der Flugpionier aus dem Waldenburgertal, der in Wien Geschichte schrieb

Jacob Degen wurde am 17. Januar 1760 in Liedertswil geboren, einem kleinen Dorf im Waldenburgertal.

Sein Vater war Posamenter, also Bandweber – ein Beruf, der im 18. Jahrhundert typisch war für diese Region. Auch der junge Jacob musste früh in der Weberei mithelfen. Als sogenannter «Letzenzieherbub» arbeitete er am Webstuhl, tüftelte jedoch schon bald an Verbesserungen der Werkzeuge. Die «Langette», ein bis heute gebräuchliches Einziehwerkzeug für Litzen, geht auf seine Kindheitsjahre zurück.

Doch Jacob Degen strebte nach mehr. Die Familie wanderte in den 1770er-Jahren nach Wien aus – unter recht abenteuerlichen Umständen, da die Auswanderung ohne behördliche Genehmigung erfolgte. In Wien begann er 1780 eine Lehre beim Uhrmacher L. Körner und stieg über zwölf Jahre zum Meister, Kompagnon und schliesslich zum kaiserlichen Hofuhrmacher auf. 1792 erhielt er das Bürgerrecht der Stadt Wien. Neben der praktischen Arbeit bildete sich Degen weiter – er studierte Mechanik, Mathematik und Experimentalphysik an der Universität Wien.

Mit Muskelkraft in die Luft – Degens Flugmaschinen

Getrieben vom Traum des Fliegens, begann Degen ab 1807 mit der Entwicklung seiner eigenen Flugapparate. Inspiriert vom Vogelflug, konstruierte er einen Schlagflügelapparat: Zwei grosse, herzförmige Flügel mit insgesamt 7000 beweglichen Klappen, betrieben allein durch Muskelkraft. Da die reine Muskelkraft jedoch nicht ausreichte, kombinierte er das Gerät später mit einem kleinen Wasserstoffballon.

In der Hofreitschule zu Wien gelang ihm 1808 ein erster öffentlicher Auftritt. Mit 25 Flügelschlägen stieg er 15 Meter hoch. Weitere erfolgreiche Flüge folgten im Wiener Prater, in Laxenburg und – besonders spektakulär – vor dem österreichischen Kaiserpaar am 6. September 1810. Kaiser Franz I. war so beeindruckt, dass er Degen 4000 Dukaten überreichte.

Internationale Auftritte und ein kurzer Höhenflug in Paris

1812 reiste Degen nach Paris, wo seine Flugmaschine allerdings nicht funktionierte. Zwar wurde er dort zum Objekt des Spotts – Theaterstücke parodierten ihn, ein Konditor bot ihm gar die Hand seiner Tochter an –, doch seine technischen Ambitionen blieben ungebrochen. Er kehrte nach Wien zurück, gefördert durch einen namhaften Geldbetrag von Zar Alexander I. von Russland.

Weit mehr als nur ein Luftschiffer: Degens weitere Erfindungen

Jacob Degen war weit mehr als ein Traumtänzer der Lüfte – er war ein vielseitiger Tüftler. Zu seinen bedeutendsten Erfindungen zählen:

  • Eine Stempelgraviermaschine für Banknoten (1816), die die österreichische Nationalbank zur Fälschungsbekämpfung erwarb.
  • Eine Numerierungsmaschine und eine Ausschneidemaschine für den Banknotendruck.
  • Ein uhrwerksbetriebener Modellhubschrauber, der eine Höhe von 160 Metern erreicht haben soll – ein frühes Beispiel unbemannten Fluges.
  • Ein neuartiger Windmesser sowie weitere Verbesserungen für die Bandweberei.

Er wurde Werkführer der mechanischen Werkstätte der neu gegründeten Nationalbank und war bis zu seiner Pensionierung 1841 ein geschätzter Mitarbeiter.

Eine Dynastie in Wien – Degens bleibender Einfluss

Jacob Degen begründete in Wien eine angesehene Familie. Seine Söhne Carl und Ferdinand stiegen zu hohen Beamten auf. Ferdinand erhielt sogar den Franz-Joseph-Orden. Auch seine Enkel wirkten in bedeutenden Funktionen – in der österreichisch-ungarischen Bank, als Sanatoriumsleiterinnen oder Universitätsärzte. Die Familie blieb der schweizerischen Herkunft stets verbunden und pflegte die Erinnerung an ihre Wurzeln in Liedertswil wie ein heiliges Erbe.

Der letzte Wunsch

Jacob Degen starb am 28. August 1848 im Alter von 88 Jahren in Wien. Seine letzten Worte – so überliefert es sein Urenkel – sollen gewesen sein:
«Wenn nur meine Flugmaschine zur Wirklichkeit würde!»

Wie recht er doch hatte. Denn auch wenn seine eigenen Apparate nie den Freiflug ermöglichten – sie waren Vorboten des, was mit Otto Lilienthal und den Gebrüdern Wright Jahrzehnte später Realität wurde. Jacob Degen gilt heute als einer der ersten ernstzunehmenden Flugtechniker der Geschichte.

Von einem Liedertswiler Jungen zum Wegbereiter der Luftfahrt

Jacob Degen hat es vorgemacht: Mit Erfindergeist, Neugierde und Mut kann man selbst aus einem abgelegenen Dörfchen hinaus in die Welt – und in die Lüfte – aufsteigen. Seine Leistungen waren ein Meilenstein in der Entwicklung der Luftfahrttechnik und machten ihn in Wien zu einer angesehenen Persönlichkeit. Das Waldenburgertal kann stolz sein auf diesen visionären Sohn.

 

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Ich bin Hanspeter Gautschin, Erzähler und Autor von BodeständiX – Geschichten, die bleiben.

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