Im Förderdschungel – Erinnerungen aus einer gut gemeinten Sackgasse
Illustration von Marionetten, die durch Schnüre auf einer Bühne gesteuert werden, mit einer Gießkanne, die Münzen in ein Gefäß mit der Aufschrift Förderkriterien gießt. Offizielle Dokumente schweben in der Luft und fangen das Gefühl von Manipulation und Verwirrung im Förderdschungel ein.

Ich war selbst einmal Teil dieses Systems. Kulturförderung – das klang für mich nach Ermöglichung, nach Rückenwind, nach einer Hilfe zur rechten Zeit, damit jemand mit seiner Kunst durchstarten kann.

Ich sass in Jurys, habe Fördergesuche gelesen, Entscheidungen mitgetragen. Und ich wollte, dass Künstlerinnen und Künstler etwas auf die Beine stellen, was sie später auf eigenen Füssen tragen können.

Doch je länger ich dabei war, desto mehr beschlich mich das Gefühl: Wir helfen nicht beim Aufbruch – wir richten ein. Wir fördern nicht, damit jemand fliegt – sondern damit er bleibt. Im System. Im Kreislauf der Gesuche, Berichte und Wiederholungen.

Das Giesskannenprinzip

Die Schweiz leistet sich ein dichtes Netz an Förderstrukturen: vom Bund über die Kantone bis zu den Gemeinden, von Pro Helvetia bis hin zu unzähligen Stiftungen. Vieles davon ist gut gemeint. Aber das heisst noch lange nicht, dass es gut wirkt.

Oft wurde das Geld nach dem Prinzip verteilt: alle sollen etwas bekommen. Damit niemand beleidigt ist. Damit niemand sich benachteiligt fühlt. Damit man niemandem erklären muss, warum man ihn nicht fördert.

Aber so entsteht keine Freiheit. Sondern eine gepflegte Abhängigkeit. Jahr für Jahr. Projekt für Projekt. Förderzyklus für Förderzyklus.

Die Kunst des Antrags

Viele Kunstschaffende investieren mehr Zeit in Förderformulare als in ihr eigentliches Schaffen. Ich habe junge Künstler erlebt, die bald besser schreiben konnten als aufführen. Weil das System verlangt, dass man sein Projekt in der Sprache der Förderlogik beschreibt: partizipativ, prozessorientiert, nachhaltig, gesellschaftsrelevant.

Ob es berührt? Ob es Wirkung entfaltet? Ob es überhaupt gesehen wird? Das ist nicht entscheidend. Hauptsache, es passt zur Förderlinie.

Wieviel Freiheit steckt noch in geförderter Kunst?

Ich habe Künstlerinnen und Kulturschaffende erlebt, die so sehr auf das nächste Stipendium hofften, dass sie mit der Zunge des Jurypanels zu sprechen begannen. Es ging nicht mehr um eigene Ideen, sondern um Einschätzung dessen, was «gut ankommen» könnte. Was Kriterien erfüllt. Was eingeplant werden kann.

Ich frage mich manchmal: Was wäre entstanden, wenn wir ihnen einfach gesagt hätten: «Mach. Und wenn du scheiterst, dann wenigstens mit deiner Vision.»

Förderung – oder Versorgung?

Es gibt Momente, da braucht Kunst Unterstützung. Gerade am Anfang. Gerade in Übergangsphasen. Doch ich habe erlebt, wie aus Hilfe ein Stillstand wird. Eine Art Kultursubvention mit intellektuellem Feigenblatt. Kreative Sozialhilfe mit ästhetischem Anspruch. Ohne nachhaltigen Impuls zur Selbständigkeit.

Und ich habe mich gefragt: Dürfen wir Menschen so lange fördern, bis sie vergessen haben, dass sie einmal aus eigener Kraft wollten?

Ein Plädoyer für weniger Format und mehr Vertrauen

Kunst ist kein Produkt, das man planen kann. Sie braucht Brüche, Mut und manchmal auch Misserfolg. Vielleicht müssen wir lernen, auch in der Förderung wieder mehr loszulassen. Weniger zu erwarten. Weniger zu formatieren. Und mehr zu vertrauen.

Denn Kunst, die um Erlaubnis fragt, hat ihren Atem schon verloren.

Was bleibt

Ich bin nicht verbittert. Ich bin dankbar für viele Begegnungen, viele mutige Ideen, viele echte Momente, die ich in dieser Zeit erleben durfte. Aber ich glaube, es ist Zeit, über Kulturförderung neu nachzudenken.

Nicht aus Spargründen. Sondern aus Achtung vor der Freiheit, die Kunst wirklich braucht.

 

 

1 Kommentar

  1. peter

    Die Illustrationen zu den Kommentaren passen immer

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Über

Ich bin Hanspeter Gautschin, Erzähler und Autor von BodeständiX – Geschichten, die bleiben.

FOLGEN

NEWSLETTER

BodeständiX
Datenschutz-Übersicht

Diese Website verwendet Cookies, damit wir dir die bestmögliche Benutzererfahrung bieten können. Cookie-Informationen werden in deinem Browser gespeichert und führen Funktionen aus, wie das Wiedererkennen von dir, wenn du auf unsere Website zurückkehrst, und hilft unserem Team zu verstehen, welche Abschnitte der Website für dich am interessantesten und nützlichsten sind.