Immer am dritten Sonntag im September feiern wir in der Schweiz den Eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag. Es ist der älteste nationale Feiertag unseres Bundesstaates und gleichzeitig ein ökumenischer kirchlicher Feiertag; Karfreitag, Ostern, Pfingsten und Weihnachten gleichgestellt.
Er erinnert uns an Moses, der sein Volk vom Tanz um das goldene Kalb abhielt und zur Annahme der zehn Gebote führte. Diese Umkehr des gottvergessenen Volkes, hin zu den Gesetzen Gottes, ist das Grundmotiv des Bettages.
Wer mich kennt, weiss, dass es mir bei allen Überlieferungen mehr darum geht, dem Gehalt hinter der Form nachzuspüren. Dazu reicht verstandesmässiges Denken allerdings nicht aus. Dazu ist ein weiteres Organ vonnöten – unser Herz, das Wissen lebendig macht.
Also zurück zum Eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag, dessen Begehung in unseren Landeskirchen ein etwas kümmerliches Dasein fristet, weil die meisten Pfarrherren wohl studierte Theologen sind, doch äusserst selten Seelsorger.
Mit der Dankbarkeit ist es in der Schweiz nicht mehr so weit her. Wir fordern lieber und strafen (büssen) die Anderen mit Verachtung, wenn sie unsere Forderungen nicht erfüllen mögen.
Auch das Geben (Gebet) liegt uns nicht und bereits Gottfried Keller warnte einst uns Schweizer davor, sich auf dem Lorbeer auszuruhen, den uns andere spenden.
Das also ist aktuell des Schweizers gelebter Dank-, Buss- und Bettag und es möge halt jeder für sich entscheiden, wie er es damit hält. Ob sich für ihn Dankbarkeit überhaupt lohnt, das Büssen ein längst überholtes Relikt einfältiger Mönchsmoral ist und er das Gebet lediglich den frommen Soldaten der Heilsarmee zugesteht.
Mit der Dankbarkeit wie auch mit dem Gebet habe ich mich persönlich ausgesöhnt. Sie machen mir heute Sinn. Doch mit dem Begriff «Busse» stehe ich nach wie vor auf Kriegsfuss.
In der religiösen Interpretation bedeutet es die Umkehr des Menschen zu Gott, von dem er sich durch die Sünde entfernt hat. Genau da liegt für mich der Hase im Pfeffer. Dieser biblischen Urschulds-Geschichte kann ich nur wenig abgewinnen.
Wie wäre es jedoch, wenn ich dieses «Busse tun», diese Umkehr, in einem etwas anderen Lichte betrachten würde? Fernab aller päpstlichen, priesterlichen und pfarrherrlichen Machtgelüste?
Wenn ich anstelle der religiösen Umkehr einfach meine aufrichtige Reue für alles Negative der Vergangenheit – meine nicht so netten Taten, Gedanken und Worte – setzen und gleichzeitig für meine Zukunft den festen Entschluss fassen würde, nicht wieder diesbezüglich zu versagen?
Meine Zukunft so zu gestalten, dass sie keine Makel mehr aufweist, und zwar nicht bloss in meinen Taten, sondern ebenso in meinen Worten und Gedanken?
Mit der Kirche habe ich so meine Schwierigkeiten und das Büssergewand steht mir nicht so gut.
Busse im christlichen Sinn erinnert mich ein bisschen an den Ablasshandel.
Aufrichtige Reue bei schweren Verfehlungen? Ja, wenn etwas wieder „repariert“ werden kann.
Sonst halte ich mich an Kant: Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Er ist im System Immanuel Kants das grundlegende Prinzip der Ethik.
Da ich durchaus ein spiriteller Mensch bin, hadere ich nicht mit dem Schicksal, sondern bin dankbar für alles Schöne und Gute, das ich erleben darf.
Jedoch, Zorn ist mir nicht fremd! Wenn ich den zunehmenden Egoismus und die Hartherzigkeit so vieler Mitmenschen in unseren Breitengraden beobachten muss, erfasst mich ein Grauen.
In diesem Sinne, Deinen Gedanken stehe ich näher, als dem eidgenössischen Kirchenfest.
Lieber Hanspeter,
ich sehe das mit der Busse auch so wie von dir beschrieben.
Weiter so! Ich meine das Texte schreiben und nicht unbedingt das Busse tun…
Gruss Markus
Endlich kann ich hier wieder gute Texte lesen! Ich freue mich darüber!
Ich glaube, dass sämtliche institutionalisierte Kirchen hinsichtlich ihrer Lehren verzichtbar wären, wenn Menschen ihr Band, das sie mit ihrem spirituellen Ursprung und miteinander verbindet, lebenslänglich spüren könnten.
Ich habe mich aus meiner ehemaligen Kirche, der römisch-katholischen, schon vor Jahren verabschiedet, weil ich unzählige Handlungen aus ihrer Doppelmoral heraus einfach nicht mehr mitverantworten wollte.
Es braucht auch keine 10 Gebote, um zu wissen, dass man nicht tötet, nicht stiehlt, …
Blicke ich in die Machtzentralen dieser Kirche, ob jetzt oder auch in der Vergangenheit, dann steht fest, wie oft sich einflussreiche Machtmenschen mit solchen Machtzentralen des Weltlichen verbinden bzw. verbunden haben, dass man annehmen könnte, diese Verbindungen habe Luzifer persönlich zustandegebracht.
Ich denke, es braucht Bewusstsein, dass alles, was wir einem anderen antun, in irgendeiner Form zu uns zurückkehrt. Dieses verinnerlicht, werde ich versuchen, niemandem Unrecht oder Schmerz zuzufügen – und wo dies doch passiert, kann ich nur diesen Menschen selbst um Vergebung bitten und nur an ihm kann ich versuchen, etwas wiedergutzumachen. Dafür braucht es keine kirchlichen Aufträge, diese Haltung wohnt in mir selbst inne.
Liebe Grüße aus Österreich! C Stern
Ich selber, obwohl nicht kirchengläubig, habe dank österreichischer Traditionen ihren Wert innerlich erfahren. Diese „katholischen“ Traditionen wurzeln tief in unserer mitteleuropäischen Urkultur. Und die möchte ich nicht missen, im Gegensatz zum Papst und seiner Machtpyramide.