Die Wintersonnenwende markiert den Wendepunkt im Jahreslauf. In der dunkelsten, tiefsten Nacht des Jahres, auch bekannt als Mutternacht (angelsächsisch: modraniht), kehrt das Licht zurück.
Das Sonnenkind, Symbol für Erneuerung und Hoffnung, wird unter dem Weltenbaum wiedergeboren. Diese kosmische Neuausrichtung ist in vielen Kulturen von Mythen und Ritualen begleitet, die das untrennbare Band zwischen Mensch und Natur verdeutlichen.
Das Stillstehen der Räder: Ein Moment der Stille
In dieser heiligen Zeit kamen Wagenräder, Spinnräder und Mühlsteine zum Stillstand. Diese symbolische Pause reflektierte das Innehalten der Welt und ermöglichte eine Konzentration auf das Wesentliche: die Innenschau und das Besinnen auf die eigene Verbindung zur Natur und den kosmischen Kreisläufen. Am Ende der zwölf heiligen Tage, bekannt als die Rauhnächte, wurde das Rad des Jahres durch den starken, goldborstigen Eber Gullinborsti, das heilige Tier des Fruchtbarkeitsgottes Freyr, wieder in Bewegung gesetzt. Diese Handlung symbolisierte den Neubeginn und die wiederkehrende Kraft des Lebens.
Die Rauhnächte: Eine Zeit für Innenschau und Transformation
Die Weihnachtszeit, besonders die Rauhnächte, bietet eine einzigartige Gelegenheit, in die Tiefe zu gehen. Während der Sommer ekstatische Freude und Tanz in der Natur hervorruft, laden die Winternächte zur inneren Einkehr ein. In dieser stillen Zeit wird die Wiedergeburt des Lichtes nicht nur als natürliches, sondern auch als spirituelles Ereignis wahrgenommen. Die Urmütter, mythische Wesenheiten, stehen dabei als Symbol für Fruchtbarkeit, Schutz und Weisheit.
Die Verbindung zu den Urahnen: Weisheit aus der Tiefe
Die Wintersonnenwende ist auch eine Brücke zu den Ahnen. In der stillen Versenkung können wir ihre Weisheit und ihren Segen erfahren. Dieser Kontakt ist nicht nur spirituell, sondern tief in unseren Genen verankert. Wir tragen nicht nur die DNS und RNS unserer Vorfahren, sondern auch die inneren Bilder und Erfahrungen, die in den unbewussten Schichten unserer Seele gespeichert sind. Besonders in den Weihnachtstagen scheint dieser Zugang leichter zu sein, eine Einladung, sich mit den eigenen Wurzeln zu verbinden.
Die Rolle des Weltenbaumes: Ein Symbol universeller Verbundenheit
Der Weltenbaum, der in vielen Mythologien vorkommt, verbindet die Welten des Himmels, der Erde und der Unterwelt. Unter seinen Wurzeln wird das Licht der Welt neu geboren. Er steht für die universelle Ordnung, die uns daran erinnert, dass Leben und Tod, Licht und Dunkelheit, Anfang und Ende untrennbar miteinander verbunden sind. Rituale, die diesen Baum in den Mittelpunkt stellen, spiegeln die tiefe Sehnsucht des Menschen nach Harmonie und Balance wider.
Praktische Rituale zur Wintersonnenwende
Die Wintersonnenwende kann mit einfachen, aber kraftvollen Ritualen begangen werden. Hier einige Vorschläge:
- Licht entzünden: Eine Kerze anzünden symbolisiert das Wiedererwachen des Lichtes. Dieses einfache Ritual kann einen meditativen Moment schaffen und eine Verbindung zur kosmischen Ordnung herstellen.
- Ahnenschau: Ein Ort, der mit den eigenen Vorfahren verbunden ist, bietet die Gelegenheit, in stillem Gedenken ihrer Weisheit und ihrer Geschichten nachzuspüren.
- Räuchern: Mit traditionell verwendeten Pflanzen wie Beifuss oder Wacholder zu räuchern, reinigt die Atmosphäre und schafft einen Übergang in die neue Jahreszeit.
- Dankbarkeit ausdrücken: Schreibe eine Liste mit Dingen, für die Du im vergangenen Jahr dankbar warst. Dieses Ritual schafft Raum für das Neue.
Die Wintersonnenwende in verschiedenen Kulturen
Die Bedeutung der Wintersonnenwende ist universell. Hier einige Beispiele:
- Germanische Traditionen: Gullinborsti, der Eber Freyrs, und die Wiedergeburt des Sonnenkindes symbolisieren Fruchtbarkeit und Hoffnung.
- Römisches Saturnalienfest: Dieses Fest ehrte Saturn, den Gott der Aussaat, und war eine Zeit der Umkehr von sozialen Rollen und ausschweifender Freude.
- Yule im keltischen Kulturkreis: Dieses Fest beinhaltete das Entzünden von Feuern und das Schmücken von immergrünen Pflanzen als Zeichen für die Unsterblichkeit.
- Indische Feiern: In Indien markiert das Fest Makar Sankranti den Beginn der neuen Sonnenphase und wird mit Drachenfliegen und dem Teilen von Süssigkeiten gefeiert.
Literaturhinweise
- Böhme, G. (2020). Natur und Mythos: Die Wintersonnenwende in alten Kulturen. Verlag Naturblick.
- Hennig, C. (2018). Die Rauhnächte: Rituale, Mythen und Bräuche. Verlag Lichtpfade.
- Zimmer, H. (2016). Mythologie der Bäume: Symbole und Geschichten. Verlag Baumwelt.
- Eliade, M. (1998). Kosmos und Geschichte: Der Mythos der ewigen Wiederkehr. Suhrkamp.
Die Wintersonnenwende erinnert uns an das ewige Spiel von Licht und Dunkelheit, Leben und Tod. Sie ist eine Einladung, innezuhalten, nach innen zu schauen und die Verbindungen zu unseren Wurzeln und dem Universum zu spüren.
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