Der Mai ist der Monat des vollen Frühlings, ein Inbegriff von Blütenpracht und neu erwachendem Leben.
Sein Name leitet sich vermutlich von Maia, der römischen Göttin des Wachstums und der Fruchtbarkeit, ab. Andere Deutungen bringen ihn mit den Majores, den Ahnen, in Verbindung – eine Erinnerung daran, dass in alten Kulturen das Erwachen des Frühlings nicht nur dem gegenwärtigen Leben, sondern auch den Geistern der Vergangenheit gewidmet war.
Der Mai steht in vielen Regionen für die Zeit der Hochzeit von Licht und Leben. Schon die Kelten feierten am 1. Mai Beltaine, das Fest des wiederkehrenden Sommers, das mit Freudenfeuern, Tanz und blühenden Zweigen begangen wurde. In späterer Zeit wurde der Maibaum zum Symbol des blühenden Lebens, das sich in kräftigem Wuchs und heiterer Geselligkeit entfaltet.
Wenn der Frühling zur Blüte kommt
Während der März das zögernde Erwachen der Natur markiert und der April mit seinem Wechselspiel aus Sonne und Regen den Übergang gestaltet, zeigt sich der Mai in voller Pracht. Die Tage sind nun spürbar länger, und die Sonne hat an Kraft gewonnen. Warme Winde streichen über die Felder, und die Wiesen leuchten in frischem Grün.
Nach diesem Auftakt entfaltet sich der Mai bei uns in voller Lebendigkeit. In früheren Jahren standen jetzt die Kirsch-, Apfel-, Birnen- und Quittenbäume in voller Blüte. Heute erleben wir das vielerorts bereits im April – eine stille Folge des Klimawandels, der auch unsere Gärten verändert hat. Auf den Wiesen entfalten sich Löwenzahn und Wiesenschaumkraut, und in den Wäldern schmücken Maiglöckchen und Veilchen den feuchten Boden mit duftender Anmut.
Überall summt, zwitschert und flattert es. Die Bienen und Hummeln haben nun Hochsaison, und die ersten Jungvögel piepsen hungrig in ihren Nestern. Die Kuckucke rufen aus den Wäldern, und die Nachtigall, die oft schon im April ihre ersten Lieder anstimmt, füllt die milden Maiabende mit ihrem betörenden Gesang.
Licht, Leben und Liebe
Der Mai ist nicht nur der Monat der Blüte, sondern auch der Liebe. Der alte Brauch, am 1. Mai einen Maien, also einen geschmückten Zweig, vor das Haus der Geliebten zu stellen, ist vielerorts noch lebendig. Früher war es üblich, dass junge Männer in der Nacht zum ersten Mai heimlich Birkenzweige mit bunten Bändern an das Fenster der Angebeteten banden – ein stilles, aber unmissverständliches Zeichen der Zuneigung.
Auch in der Natur beginnt nun die Hochzeitszeit. Viele Tiere, die im Frühjahr ihre Balz begannen, haben nun ihren Partner gefunden. Die Wiesen sind voller Leben: Junge Rehe wagen ihre ersten Schritte, in den Teichen quaken die Frösche, und am Waldrand streifen Fuchswelpen durch das hohe Gras.
Nicht zufällig gilt der Mai auch als der ideale Hochzeitsmonat. In vielen Kulturen wird er mit Fruchtbarkeit und Glück in Verbindung gebracht – nicht nur für die Natur, sondern auch für die Menschen.
Der Mai als Tor zum Sommer
Mit seinen warmen Tagen und lauen Nächten kündigt der Mai bereits den kommenden Sommer an. Doch er hat auch seine eigene, unverwechselbare Stimmung – eine Mischung aus Überfluss und Sanftheit. Noch ist die Luft erfüllt vom frischen Duft des Frühlings, und das Licht hat jene besondere Klarheit, die in den heissen Monaten oft verloren geht.
Am Ende des Monats, zur Maienzeit, beginnt in vielen Regionen der Heuschnitt. Die Bauern holen die ersten Gräser ein, und der Duft von frisch gemähtem Heu liegt in der Luft. In den Bergen ziehen die ersten Alpenbesitzer mit ihrem Vieh hinauf zu den Sommerweiden – eine jahrhundertealte Tradition, die den Wechsel der Jahreszeiten feierlich begleitet.
Und so bleibt der Mai ein Monat des Übergangs, aber nicht des Wandels – sondern der Vollendung. Er ist das strahlende Herz des Frühlings, die Zeit, in der das Leben seinen höchsten Glanz entfaltet, ehe es sich in den heissen Tagen des Sommers verliert.
Zwischen Himmel und Erde
Wie der Frühling insgesamt, so steht auch der Mai zwischen zwei Welten: Er trägt noch die Frische und das Leuchten des Frühlings, doch er öffnet bereits die Tore zum Sommer. Seine üppige Blüte ist nicht nur ein Versprechen auf reiche Ernte, sondern auch eine Erinnerung daran, dass nichts ewig währt – dass selbst die schönste Blüte vergeht.
Und doch lebt genau darin seine Magie: Im Mai scheint die Zeit stillzustehen, als wolle die Natur für einen Moment innehalten, um sich selbst in ihrer vollen Schönheit zu bestaunen.
Es ist die Zeit, in der wir lernen können, das Leben in seiner vollen Blüte zu sehen – und es zu feiern.
Erklärungen zu den Begriffen:
- Maia – Römische Göttin des Wachstums und der Fruchtbarkeit. Der Monat Mai ist vermutlich nach ihr benannt.
- Beltaine – Ein altes keltisches Fest, das in der Nacht zum 1. Mai gefeiert wurde. Es markierte den Beginn des Sommers und wurde mit Feuern und Tänzen begangen.
- Maibaum – Ein geschmückter Baum oder Baumstamm, der vielerorts in der Nacht zum 1. Mai aufgestellt wird. Er symbolisiert Wachstum, Leben und Gemeinschaft.
- Maiglöckchen – Eine zarte, weisse Blume, die im Mai blüht und für ihre betörende Duftnote bekannt ist. In einigen Ländern gilt sie als Glücksbringer.
- Maien – Ein mit Bändern geschmückter Zweig, der in der Nacht zum 1. Mai als Liebesbeweis vor das Haus einer jungen Frau gestellt wurde.
Eine wunderbare Hommage an den Mai ist Deine so sinnenfreudige Betrachtung, lieber Hanspeter.
Ich wünsche Dir außergewöhnliche Genussmomente in der Natur!
Herzliche Grüße aus Österreich, C Stern